[Sa, 01 Jun 2023: Abschnitte "Aufnahme" und "Verlauf" ergänzt.]
Zunächst war es täglich, mittlerweile frage ich mich wöchentlich in meiner Arbeit als Ärztin in einem psychiatrischen Akutkrankenhaus: Und? Was ragte in dieser Woche besonders heraus? Was war neu? Was habe ich gelernt? In der vergangenen Woche entstand etwas, das ich hier als Checkliste für meine Arbeit festhalten möchte. So kann ich überall, wo es einen Rechner und ein Netz gibt, darauf zugreifen. Das ist in der Regel in der Klinik der Fall. Vielleicht inspiriert es ja auch die eine oder den anderen von Ihnen. Anregungen und Ergänzungen sind willkommen.
Wie in jedem Projekt geht es mit dem Ziel los. Hier ist es die
Entlassung
Es gibt insgesamt sechs Schritte. Die Dokumentation findet im Krankenhausinformationssystem "orbis" statt - kurz im Folgenden "KIS". Schick ist hier: Der Aufnahmebogen fließt in den
Entlassungsbrief ein und aus dem entgültigen Entlassungsbrief fließen Labor, Diagnostik, Medikationsplan und Therapie und Verlauf in den Kurzarztbrief ein. Den unterzeichnet die Ärztin allein. Er
ist also ein vorläufiger Entlassungsbrief. Der entgültige geht im KIS an die zuständige Oberärztin(*) und - nach ihrem "Go" - auch dem Chefarzt zur "Vidierung" (digitale Unterzeichnung).
Was habe ich also zu tun?
Die Entlassung "verordnen". Dann kann das Pflegepersonal die Organisation starten. Dazu gehört unter anderem der Transport. Unsere Patienten können nicht unbedingt in einem PKW nach Hause oder
ins Pflegeheim. Also braucht es einen Krankenwagen.
Für mich geht es im KIS weiter, und das am besten einige Tage vor der Entlassung, denn eventuell fehlt noch etwas, beispielsweise in der Diagnostik, vor allem im Labor, oder im Medikationsplan.
- DRG-Diagnosen - wichtig: auch die Entlassungsdiagnosen
- Labor check
- Medikation Plan
- entgültiger Entlassungsbrief
-
- Aufnahme
- Labor
- Befunde
- Medikationsplan
- Therapie und Verlauf
- Empfehlungen
- weitere, hinzugefügte Unterlagen (bspw. externe Befunde, wie eine Computertomographie, CT)
- Kurzarztbrief - entsteht aus dem Entlassungsbrief
- Bescheinigung über das Nicht-vorliegen einer ansteckenden Erkrankung
Es empfiehlt sich, den entgültigen Entlassbrief bereits im stationären Verlauf zu führen. Dazu gehört unter anderem, die Daten aus dem Aufnahmebogen lesefreundlich zu gestalten. Bei Aufnahme
arbeiten wir oftmals mit Abkürzungen. Und - wichtig - externe Befunde kurz zusammengefasst mit aufzunehmen. Beides dient dem Lesekomfort der Adressaten: die weiter behandelnden Menschen können
dann einfach erst einmal ein Dokument sichten.
Am Entlassungstag erfolgt die Verabschiedung der Patientin. Zum einen entspricht es einem guten Umgang und zum anderen ist dies ein letzter Check, ob sie fit ist für die Entlassung. Das muss
natürlich auch in die Dokumentation im KIS.
Kommen wir zum Start des Projekts.
Aufnahme
Dies kann eine geplante Aufnahme von "draußen" sein oder es ist eine Übernahme aus einem anderen Krankenhaus - wir nennen sie die "somatischen" Krankenhäuser, weil es dort vor allem um den Körper geht - oder es ist eine interne Übernahme von einer anderen Station. Bei Ankunft des Patienten gibt es folgende Schritte:
- check KIS und Papierunterlagen
- check Unterbringung: NPsychKG, BGB, freiwillig? (siehe blog Freiheit vom 19 April 2024)
- Patienten begrüßen und eine Anamnese und Untersuchung durchführen [Unterpunkte ergänzt am 01 Juni 2024]
-
- Patienten beobachten, ein Gespräch beginnen, befragen
- psychiatische, internistische und neuroglische Untersuchung
- Fremdanamnese: Telefonate und Gespräche mit Angehörigen, Ärzten, Pflegenden in ambulanten u/o stationären Einrichtungen
- check und veranlasse Diagnostik
-
- Labor
- EKG
- ggf. Internistisches und/oder Neurologisches Konsil
- Psychologische Diagnostik - bei Demenz nach Abklingen eines Wahns oder eines Delirs
- cCT (Computertomographie des Kopfes)
- Wundexperten - falls es eine offene Verletzung oder einen Decubitus oder anderes gibt
- check und veranlasse Therapie
-
- Medikamente
- Psychotherapie
- besondere Pflegemaßnahmen
- Physiotherapie
- Ergotherapie
- check: wohin nach Entlassung?
-
- nach Hause
- nach Hause mit neuen Hilfen
- ins Pflegeheim (PH) zurück
- neu in eine allgemeine geriatrische Einrichtung oder PH
- neu in eine spezialisierte PH, bspw. Demenz
- offenes PH möglich oder geschütztes/geschlossenes PH erforderlich
- mit Sozialdienst besprechen
Und vor allem: am Ankunfstag oder spätestens am folgenden Tag den Patienten einer Fachärztin für Psychiatrie vorstellen. In der Regel ist dies einer der Oberärzte.
Im Verlauf
des stationären Aufenthaltes ist die Arbeit von der engen, wertschätzenden Zusammenarbeit der beteiligten Berufsgruppen geprägt. Den Kern bilden Pflege und Ärzte, Psychologinnen und der
Sozialdienst plus etliche andere Berufsgruppen - so meine bisherigen Erfahrungen in den vergangenen zehn Wochen.
Jede Berufsgruppe hat ihren eigenen Dokumentationsbereich im KIS. Dies ist hilfreich, um rasch einen Überblick über den Alltag eines Patienten zu erhalten, vor allem von den Nächten (Pflege), den
Stand der Dinge nach der Suche eines geeigneten Pflegeheimes zu sehen (Sozialdienst) und zu erfahren, was ärztliche Kollegen in ihrer Arbeit mit der Patientin getan haben und im weiteren Verlauf
tun möchten. Die Dokumentationen unterscheiden sich natürlich, je nachdem was passiert ist und natürlich auch im Stil. Besonders hilfreich ist die Liste, in der ein Kollege wichtige Aspekte
zusammengefasst hat (**). Er hat sie für die Oberarztvisiten entwickelt. Ich finde sie auch für meine Arbeit "allein" immer wieder nützlich, vor allem wenn ein Patient neu auf unserer Station
eintrifft.
- Symptomatik
- Sonstiges
- Sozialdienst
- Diagnostik/Labor
- Medikamente
- Unterbringung
- Therapieziel
Auf einer geschlossenen psychiatrischen Station müssen wir darauf achten, ob Fristen in der Unterbringung zu Ende gehen und wir daher über eine Verlängerung nachdenken und in die Wege leiten
müssen (siehe blog Freiheit vom 19 April 2024). [Ab hier diesen Absatz ergänz am 01 Juni 2024] Es
können auch neue freiheitsentziehende Maßnahmen hinzukommen, wie beispielsweise Fixierungen. Außerdem gibt es immer mal wieder Anfragen von Gerichten und anderen Institutionen zu kleineren und
größeren Gutachten, die zur Klärung von Fragen zum Beispiel in Bezug auf Dauer und Art einer Unterbrinung oder Medikation beitragen sollen.
Das Therapieziel kann sich im Verlauf ändern. In der ersten besonders akuten Phase ist es anders als in späteren Stabilisierungsphasen. Außerdem können somatische Erkrankungen sich verschlimmern
oder neu hinzukommen, beispielsweise eine Herzerkrankung oder ein Harnwegsinfekt. Dann ist natürlich auch ein Ziel, diese Erkrankungen erfolgreich zu behandeln. Der in unserem Haus tätige
Internist ist sehr wertvoll dafür. Und die Zusammenarbeit mit Externen, beispielsweis Chirurgen und Internistinnen und Urologen in anderen Krankenhäusern läuft gut. So mein Eindruck bislang.
Seit meinem vorletzten Blogeintrag vom 19 April war besonders neu: mein erster Nachtdienst in der
Psychiatrie. Eine wunderschöne Frühlingsnacht mit Patienten, Pflegepersonal und Kollegen, die diesen ersten Dienst ganz leicht machten. Danke!
Christa Weßel - Samstag, 18 Mai 2024
Blogrubrik (Wandel im) Gesundheitswesen
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