Do 08/06/2023 15:25 Osterstr/St Pauli Brücke / HB Neustadt. Merke: stets das Notizbuch mitnehmen. Vor allem, wenn es nach Bremen geht.
So beginnt ein Text, den ich gestern verfasst habe. In meinem Rucksack habe ich noch ein leeres DIN-A 4 Blatt gefunden. Denn: Schreiben musste sein, an diesem Ort zu dieser Zeit. Lassen Sie uns durch Bremen schlendern.
Ort gefunden
Ich habe einen Ort gefunden, an dem ich gerne leben möchte: Bremen Neustadt. So gute Vibes - nicht nur aus den Boxen des Cafés hier. Auf dem Weg zu SVB (dazu gleich mehr) bin ich am Hauptbahnhof in die falsche Tram gestiegen. Also am Leipziger Platz raus aus der Linie 1 und den Neustadtwall entlang gen Langemarckstraße.
Hochschule Bremen
HSB, https://www.hs-bremen.de/. Hauptcampus. Auf der Straße Studierende mit Kaffeetassen. "Wo bekommt man den?" Ein junger Mann zeigt auf ein Gebäude gegenüber: "Dort im Eingangsbereich, am roten Tresen."
Hervorragender Cappuccino. "Ja, hier dürfen auch andere Menschen Kaffee kaufen und sie können mit ganz normalem Geld bezahlen." Eine junge Frau in der Warteschlange am Kaffee-Counter in der Halle vor der Mensa. Die zweite: "Sie können hier auch essen." Das ist wie die Architektur dieses Gebäudes und - so mein Eindruck aus diesem und anderen Kontakten mit der HSB - insgesamt so: eine offene, aufgeschlossene, gastfreundliche Hochschule. Da - so nehme ich an - machen lernen, lehren und entwickeln Freude. Jedenfalls wirkten die Menschen so, die dort allein, zu zweit und in Gruppen saßen und arbeiteten. Prima Klima.
Experten in Technik, Handwerk & Co
Nach dem Cappuccino ging es weiter gen Industrie- und Gewerbegebiet jenseits der Autobahn zu SVB und dem Anlass dieses Tages in Bremen.
SVB
In der Langemarckstraße in die Linie 1 zu SVB in der Gelsenkirchener Straße. SVB: Spezialversand für Yachten und Bootszubehör, gegründet 1989 von Thomas Stamann. Mehr zur Firmengeschichte auf https://www.svb.de/de/ueber-svb/index.html
Sehr gute Beratung. Es wurde eine Rettungsweste mit Lifeline und zwei Festmacher. Das ist Tauwerk / Leinen, die vom Boot zum Land oder zu anderen Booten gehen. Festmachen. Sie kommen per Post.
Die Weste in der Warenausgabe in den Rucksack. Dort lerne ich von J., der mir Weste, Lifeline und Rechnung übergibt, etwas über LARP Rollenspiele - es ist ein wenig Muße zum Plaudern, bis der nächste Kunde kommt. Mehr über Live Action Role Playing Game zum Beispiel in der englischen und auch der deutschen Wikipedia.
Spätestens hier merke ich, wie gut es sich mit Menschen in Bremen ins Gespräch kommen lässt. Ein Kollege, den ich auf einen Kaffee besuchen will, bittet, dies zu vertagen. Kunden kommen. Klar. Dann morgen in Oldenburg. Wie gut, denn dadurch passierte alles Folgende. Ich ging gen Osten: Neustadt, Altstadt, Hauptbahnhof; zunächst durch die Dortmunder Straße.
Volkmer Sattlerei
... für Autos, Boote, Flugzeuge in der Dortmunder Straße: https://volkmer-bremen.de/. "Ihr Haus erinnert an Hundertwasser, es hat nur ein paar Ecken mehr." Der Juniorchef dieses Betriebes in dritter Generation erläutert ausführlich, wie es so geht mit dem Verarbeiten von Persenningstoffen. "Und für Angler auf Hochseeyachten" [Hemingway - noch ein Lieblingsschriftsteller] "nehmen Sie dann LKW-Planen." Und: "Ja, wir kommen zu den Booten zum Ausmessen. Griechenland war auch mal dabei."
Warum ich dort eingekehrt bin: ich brauche Persenningstoff und das richtige Garn für eine Teilabdeckung am Baum eines Segelbootes. Baum ist das "Querholz" - bei diesem Boot kein Holz, sondern Aluminium - das vom Mast ausgeht. Darauf ruht das Segel, wenn es nicht gesetzt ist. Entweder in Buchten gelegt oder auf dem Baum aufgerollt. Als Sonnen- und Regenschutz muss eine Persenning darauf.
Herr Volkmer hat noch einiges mehr erzählt. Zum Beispiel wie sich das Sattlerhandwerk in Sattler, Täschner und den Zweig Boot / Autor / Flugzeug / Camping aufteilt. Wie sie verfahren sind, bevor sie Reisverschlüsse in die Bezüge genäht haben, damit sie die Füllung überhaupt hineinbekommen: an Sesseln zum Beispiel mit Nägeln. Diese dicken Schmuckköpfe haben Sie an alten Möbeln bestimmt schon mal gesehen.
Bunt
Es ging weiter gen Osten, aus dem Industrie- und Gewerbegebiet heraus, unter der Autobahn durch wieder in den Wohnbereich der Neustadt. Kreuz und quer.
In Straßenbild Menschen aus allen Himmelsrichtungen. Cafés, Läden, Gallerien von Menschen für Menschen aus allen Himmelsrichtungen. Große Bäume, die Schatten spenden. Interessante Architektur: 1920er Jahre Wohnungsbau "mehr Licht mehr Luft" (Buch: Marianne Rodenstein. "Mehr Licht, mehr Luft." Gesundheitskonzepte im Städtebau seit 1750. Campus Verlag 1988 - zugleich Habilitationsschrift an der TU Berlin). Ergänzt mit modernen Mitteln. Andere kleine Häuser in langen Reihen. Wunderbar.
In die Kultur dieser Stadt geht mensch ohne große Hürden einfach hinein. Auf Straßenfestivals und in Theater und Clubs. Das gibt es meiner Erfahrung nach nur in Städten oder Stadtbezirken, die so bunt sind. Erlebt und gelebt so in Berlin und Frankfurt am Main, auch in Aachen und anderswo. Je weniger Mischung desto ruhiger mag es werden, aber auch nicht mehr so anregend. Hier in der Neustadt ging es anregend weiter.
Shakespeare
Plaudern mit der Regieassistentin der Bremer Shakespeare Company, BSC, https://www.shakespeare-company.com/. Sie machte am Hintereingang eine Pause, es war sehr warm, ich befand mich mittlerweile auf der Suche nach einem Eis. Eisdiele? Eher hier nicht. Und dann erzählte sie von der BSC. Spannend.
2024 ist Jubiläum. Vor dann vierzig Jahren haben Schauspieler:innen und andere Theatermenschen die BSC gegründet, weil sie mit der damaligen Art in den Kulturbetrieben nicht mehr zufrieden waren und von den üblichen Hierarchien weg wollten. Das erinnert mich an die Gründung der Freien Universität Berlin, FUB, https://fu-berlin.de/, 1948. Damals wollten Studierende und Lehrende nicht in der stark politisch geprägten und restriktiven Vorgehensweise der Machthaber bleiben. Also gründeten sie eine Uni (Blog 17 Dec 2018 70th anniversary Freie Universität).
"Und? Läuft es?" - "Ja! Wir bekommen Zuschüsse und das andere schaffen wir selbst. Es läuft." - "Und es macht Ihnen Freude. Jedenfalls wirken Sie so." - "Oh ja, das tut es."
Papp
Weiter schlendern, die Rolandstraße entlang zur Kleinen Weser. Kaffeedurst. Ecke Osterstraße / St Pauli-Brücke Papp, Café und Bar. "Das geht bei uns fließend ineinander über" meinte der Barkeeper, als ich ihn nach den Öffnungszeiten fragte "Am Tag Café, abends Bar und manchmal auch Musik und Tanz. Mit DJs." - "Wo macht ihr das?" Das Papp ist recht klein mit einem großen Vorplatz für Tische, Stühle und bequeme Sessel. "Na, hier" und zeigt ins Innere. "Aha?" - "Ja, das wird eng und schwitzig." Schick. Endlich wieder nach drei Jahren Stille - finde ich. Die Website bietet eine Einführung: https://www.pappusdorf.de/ Mehr zum Programm zum Beispiel auf instagram : https://www.instagram.com/papp.barcafe/
Dieses Gespräch fand fast am Ende meines zweistündigen Verweilens dort statt. Erst einmal gab es den ersten Cappuccino on Ice - LECKER!! - und dann, nachdem das DIN-4 Blatt voll war - den zweiten. Die Regieassistentin hatte mir ein Büchlein mitgegeben "Alle Vergangenheit ist nur ein Prolog" Bremer Shakespeare Company 2022/2023. Die Stücke, Kooperationen und Initiativen, die Vorstellung der Aktiven. Sehr gut. Falls Sie mal an der BSC am Leibniz Platz vorbeikommen, vielleicht gibt es ja noch Exemplare, auch wenn die derzeitige Spielzeit fast vorbei ist.
[Do, 09 Nov 2023: danke an Beate von Frauensache(n) Secondhand für den Hinweis, dass es der Leibniz und nicht der Leipziger Platz ist. Die Frauensache(n) sind ganz in der Nähe: im Buntentorsteinweg 85]
Über die Weser
Auch in der Altstadt gibt es Orte zum Verweilen. An der Balgebrückstraße eine Filiale der Fachbuchhandlungskette Schweitzer. Also noch mal über die Straße. Ich hatte ein paar Kataloge des Verlags im Rucksack (Rudi Moos' blog vom 22 November 2022). Die konnte ich dort abgeben. Damit in der Wirtschaftsinformatik und Soziologie noch ein paar etwas andere Fachbücher dazu kommen können. Freundliche Buchhändlerin. Ja, das Papp kenne sie. Weiter. Dom. 1400 Jahre und mehr ist dieser Ort ein Platz des Innehalten. Wohl auch bereits bevor die Christen hier eine Kirche und dann einen Dom errichteten. Und schließlich wieder niedrigschwellig Kultur vom Feinsten.
City 46 - Kino jenseits des Mainstreams
Und mit einem Festival vom 16 bis 18 Juni: pride film tage. Schönes Plaudern mit den beiden City 46 Menschen über Filme, das Engagement des Kommunalkinos City 46, Festivals, das Leben in Bremen im Vergleich zu Oldenburg, Berlin und Frankfurt am Main - welche dieser vier Städte fällt aus dieser Reihe raus?
Das Programm des pride film tage im city 46 ist spannend:
Vielleicht sehen wir uns ja in Bremen. Doch zunächst bin ich gestern Abend wieder in eine andere Stadt gefahren.
Brooklyn
Kennen Sie Siri Hustvedt? Sie ist eine meiner Lieblingsschriftstellerinnen und ein role model, eine Inspiration (blog vom 31 Juli 2022 Literatur vom Feinsten). Sie ist vom Mittelwesten der USA nach New York City gegangen, um an der Columbia University ihren PhD zu machen. Sie hat zunächst in Manhattan gelebt und es genossen, trotz aller Härte zu Beginn. Später hat sie den Schriftsteller Paul Auster geheiratet. Auch er gehört zu meinen Lieblingsschriftstellern. Sie leben in Brooklyn. Und wenn ich hier in Oldenburg an meinem schönen Schreibplatz sitze, denke ich manchmal: Vielleicht ist Oldenburg ja das Brooklyn Bremens. Also mal sehen, wo ich in einigen Jahren leben werde: "Brooklyn" oder "Manhattan" oder ?
Die beiden im City 46 haben als online Suchplattformen schwarzesbrett.bremen.de, den Weser Kurier und Immobilenscouts empfohlen. Ich kann ja mal gucken, irgendwann, vielleicht bald.
Falls Sie mal von einer Wohnung in der Bremer Neustadt hören, meinen Kontakt ... haben Sie ja, wenn Sie dies hier lesen.
Christa Weßel - Freitag, 09 Juni 2023
Blogrubik together, weil es um bunt, Kultur, Zusammen_Leben geht.
< Social Informatics Experience: The Booklet today Let's share >