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Coaching: Die Spaziergängerin

Christa Weßel 2022 Raureif

Humor, Ironie, Sarkasmus, Zynismus, Egoismus, Narzissmus(*) ... oder doch ein Burn Out? Dies können Themen im Coaching sein. Lassen wir also die Gedanken, Gefühle und Ideen fliegen. Beim Spaziergang. 

 

Die meisten von Ihnen wissen, dass ich zumeist an der frischen Luft coache; dies seit deutlich mehr als drei Jahren. Auf diesen Spaziergängen von Klientin oder Klient und Coach entwickelt sich eine Dynamik, die ich Ihnen heute vorstellen möchte. Außerdem soll es wieder einmal darum gehen, wie Führungskräfte Feedback erhalten können jenseits spontan einfach mal so fallender Sätze wie "du bist ..."

 

Unter Führungskräfte fasse ich zusammen: Manager:innen in Unternehmen und anderen Organisationen, Allein-Unternehmer:innen, Freiberufler:innen. Führungskräfte müssen sich zunächst einmal selbst führen können und dann auch andere. Das gilt auch für Menschen, die anscheinend allein arbeiten. 

 

Einen Coaching-Termin vorbereiten, durchführen, nachbereiten

Die meisten Menschen, die ein Coaching machen, haben einen Weg zum Coaching von einer halben bis einer Stunde. Manche Menschen denken auf dem Weg zum Spaziergang mit ihrer Coach sehr viel: "Was will ich besprechen? Welches Thema, welche Themen will ich bearbeiten?" Ihr Ziel ist, das Coaching möglichst effizient und effektiv zu gestalten. Dadurch entsteht eine hohe Fülle, manchmal sogar ein Gefühl des Gehetzt-seins.  

 

Empfehlung zur Vorbereitung auf dem Hinweg

_rein fühlen: was beschäftigt mich? Vom letzten Gespräch? Neues?

_hin schauen, ansehen: dies sind die Themen

_einfach stehen lassen, meditativ: aha, das ist es also heute

... und es kommt sicher noch anderes.

 

Ziel und Zweck dieser Vorgehensweise: Sie entspannen sich und stimmen sich auf das Gespräch ein. 

 

Phasen in der Durchführung

Der Spaziergang gliedert sich in fünf Phasen: Ankommen, Einstimmen, in die Themen gehen, Zusammenfassung / Loslassen, Abschied. Sie haben eine gewisse Ähnlichkeit mit den fünf Phasen der Gruppendynamik. Auch zwei Menschen sind eine Gruppe. Auch sie erleben diese Phasen, immer wieder.

 

Für die Arbeit mit Gruppen und Teams hat Bruce Tuckman in

den 1960er Jahren ein Modell der Gruppendynamik entwickelt. Den

vier Phasen Forming (Bilden), Storming (Kämpfen und Klären),

Norming (Regeln) und Performing (Umsetzen) fügte er mit seiner

Kollegin Mary Ann Jenssen in den 1970er Jahren eine fünfte Phase

hinzu, Adjourning, das Beenden und Loslassen. In allen fünf

Phasen ist die Gruppe sowohl auf der Beziehungsebene als auch

auf der Sachebene aktiv. [...]

 

Gruppendynamische Veränderungen ereignen sich im Großen über

den gesamten Zeitraum, in dem eine Gruppe existiert. Im Kleinen

sind sie auch bei jedem Treffen vorhanden.

(Buch Menschen, 2017, S. 96)

 

Empfehlung zur Nachbereitung auf dem Rückweg

Auf Stand-by gehen - siehe unten - in einer Kurzversion. Und sich auf den Feierabend oder die Stunden der Arbeit, die vielleicht noch anstehen, einstimmen.

 

Im Coaching erfolgt auch das Geben und Nehmen von Feedback. Wie steht es um Feedback für Führungskräfte?

 

Feedback _holen_

Feedback ist ein Begriff aus der Kommunikationstechnik und bedeutet Rückmeldung und Rückkopplung. Und im Umgang miteinander? Wieder einmal ziehe ich zur Begriffsklärung die Übersetzung in dict.cc heran(*). Dort ist "Feedback" unter anderem Rückmeldung, Bewertung, Rückspiegeln (sociol.: von Wahrnehmungen, Verhalten etc.) Wertung(*).

 

Das Bild anderer über uns ist oftmals klüger als die Selbstwahrnehmung. Menschen brauchen Feedback. Positives Feedback ist Balsam und Ansporn. Negatives Feedback ist Ansporn, an sich zu arbeiten, und Training der eigenen Widerstandskraft, Resilienz: lernen mit Negativem und manchmal auch Verletzungen umzugehen.  

 

Wenn Führungskräfte selbst Vorgesetzte haben, gehört Feedback zum jährlichen Mitarbeitergespräch. So sollte es zumindest sein. Und wenn nicht? Dann müssen Sie es sich holen: 

 

_von Kolleg:innen der gleichen Ebene

_von Vorständen und Vorgesetzten

_von Mitarbeiter:innen

_von Kunden und Klienten 

 

Einen Zugang bietet das Handwerkszeug der Evaluation (bspw. Buch "Beraten", S. 247-248, und die Bücher "Werkzeuge" und "Entdecken"; (*)). Wichtig ist, nachzuhaken, wenn eine andere Person etwas sagt wie beispielsweise etwas über Zynismus, Egoismus, Narzissmus: "Was meinst du damit? Was verstehst du darunter? Wie äußert sich das bei mir?" Selbst, wenn eine solche Äußerung sich als Etikettierung oder gar Killer-Argument entpuppen sollte, kann dies ein Anlass sein, über sich und seine Art zu reflektieren und zu fragen: "Wo habe ich solche Anteile? Und wie kann ich daran arbeiten?" 

 

Klient und Coach betrachten Äußerungen Dritter _positiv_

 

Wertschätzende Erkundung

Jede Äußerung über die eigene Person von Dritten kann wertvolles Material für die Arbeit an sich selbst und auch zur Selbstvergewisserung bieten. Beispiele hier:

 

_"auf's Geld achten": ist eine Aufgabe von Füürhungskräften

_"redet viel": Beredsamkeit ist ein wichtiges Kommunikationsmittel im Umgang mit Mitarbeitenden und Kontakten nach außen - noch wichtiger ist natürlich das Zuhören und Hinschauen.

 

Was ist hilfreich, um mit negativen Äußerungen und sehr emotionalen Ereignissen - traurige und besonders schöne – umzugehen?

 

Auf Stand-by gehen

Erst einmal "nichts" machen, nicht denken, planen, handeln, sondern eintauchen in die Gefühle: in die Traurigkeit oder Wut oder überschäumende Freude. Laufen lassen, sacken lassen. 

Einen Tag aussteigen. Einen Tag zuhause bleiben oder rausgehen - so sich dies irgendwie machen lässt. Es lässt sich in der Regel machen. 

 

In diesem Fall bedeutet dies also nicht "eine Nacht darüber schlafen", sondern es sind zwei Nächte und ein Tag. Dann ist auch der Kopf oftmals wieder frei für Denken, Planen, Handeln.

 

Spazieren gehen

Gestern morgen sprach ich am Telefon mit einer Kollegin über das vergangene Jahr - natürlich über die drei vergangenen Jahre 2020 bis 2022 - und das, was wohl kommen wird. Es ging um unser berufliches Tun. Vom Bücher schreiben, machen und verbreiten erzählt der Blogger des Verlages, Rudi Moos. Er muss seinen Jahresrückblick und -Ausblick noch schreiben.

 

Die Kollegin und ich sprachen über unsere Arbeiten als Beratende und Coach. Sie wünschte mir viele schöne Spaziergänge, denn ich hatte zum Schluss gesagt: "Das Wetter ist prima und heute Nachmittag werde ich wieder für das Spazierengehen bezahlt." Sie lacht: "Prima, wenn deine Klienten sehen, dass es Arbeit ist, für sie und für dich." Das merken sie, wenn auch manchmal mit leichtem Erstaunen: "Coaching ist ja anstrengend." Stimmt. Coaching ist Arbeit. Arbeit, die Freude macht, beiden, Klient:in und Coach. Ein wichtiger Baustein ist der Spaziergang. 

 

Ich wünsche Ihnen viele schöne Spaziergänge, einfach so und bei der Arbeit.

 

Christa Weßel - Freitag, 16 Dezember 2022

 

Lesestoff

(URLs besucht am 16 Dezember 2022)