Frankfurter Buchmesse 2022 vor Ort

Zum ersten Mal seit 2019 wieder auf der Buchmesse(*) sein. An diesem Tag, Do 20 Okt, ist so viel passiert wie gefühlt in einer Woche. Die Fotos habe ich mit einem Antik-Smartphone aufgenommen, als Impressionen. Ich war als Bloggerin und somit Presse akkreditiert. Die URL zu den Menschen und Organisationen, denen ich begegnet bin, befinden sich am Ende dieses Blogeintrages. In der Tradition der Feldforschung berichte ich hier. Zuerst kurz etwas zur Methode.

Feld ist die "Wirklichkeit", das Alltägliche im Gegensatz zum Labor. Feldforschung nutzt vor allem Methoden der qualitativen Forschung. Ich schreibe Wirklichkeit in Anführungszeichen, weil es (a) eine Frage der vielen Betrachter ist, um welche Wirklichkeit es gerade geht, und (b) wir, die Sozioinformatiker, und viele andere auch über die Wirklichkeit in der Virtual Reality forschen. Forschen im Feld hat eine lange Tradition:

Forscher der vergangenen Jahrhunderte, die sich auf Reisen gemacht haben, um neue Länder, Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenschätze zu entdecken, haben nach und nach eine strukturierte und gegen vorschnelle und möglicherweise falsche Urteile gewappnete Vorgehensweise entwickelt. Der erste Schritt ist die Formulierung von Fragen, der zweite die Beobachtung und das Zuhören, der dritte die sorgfältige Aufzeichnung und Beschreibung, der vierte die Auswertung, der fünfte die Bewertung und der sechste die Interpretation. Daran schließt sich die Entwicklung neuer Fragen an. Abbildung 1.1 soll verdeutlichen, dass dieses Vorgehen nicht linear ist, sondern ein Kreislauf oder eher noch eine Spirale: Sie entdecken immer mehr.

(Weßel. Entdecken. 2017, S. 26)

Vor allen entdecken sie bisher Unbekanntes und Unerwartetes. Dies funktioniert mit Offenheit in Haltung und Erwartung und mit einem Rahmen aus Fragen und Vorhaben, die Raum lassen für die Entdeckung von Neuem. Ein Tag, ein paar Begegnungen und das ist die Buchmesse? In der Soziologie und Völkerkunde (Ethnography) sprechen wir von pars pro toto: ein Teil [spricht] für das Ganze. Natürlich nicht erschöpfend. Erschöpft war nur die Berichterstatterin am Ende dieses langen, wunderbaren Tages. Kern der Vorbereitungen ist eine Checkliste für Material und Themen. Rudi Moos hat sie beschrieben: #fbm22 morgen ETA nullachthundert ... 

Der Stand von Die Werkstatt Verlagsauslieferung war ein Kommunikationszentrum vom Feinsten auf der #fbm22. Die Werkstatt hat sich selbst als Verlagsauslieferung präsentiert und war Buchmessen-Heimat für den Werkstatt Verlag und weitere Verlage, mit denen die Verlagsauslieferung zusammenarbeitet.

Danke! Eine so liebvolle und ins Auge fallende Präsentation der Bücher. Wunderbar. Und bei ins-Regal-stellen blieb es nicht. DS von der Werkstatt Crew hat auch mit Interessierten über die Bücher gesprochen ... und mir beim Andocken, Pausieren und Abschied hervorragenden Kaffee und aufmunternde Worte zukommen lassen. Er hat mich gleich "losgeschickt", ans Telefon: "Hier war jemand, der mit dir über deine Bücher und ihre Verbreitung in Buchhandlungen sprechen will. Ich kenne ihn von ... Hier ist seine Karte." Auf dem Weg in Halle 3.1 ein Stockwerk höher habe ich angerufen. Mailbox. Zunächst. Also erst einmal Audio.

Till Hohlfeld von Vertrieb für ZWEI und ich haben uns umgehend am Stand von Die Werkstatt verabredet und sind dann in den großen Innenhof umgezogen. Masken-freies Plaudern an der frischen Luft. Das war mehr als ein Plaudern. Innerhalb einer halben Stunde hatten wir einander "abgeklopft": was macht Vertrieb für ZWEI; was sind das für Bücher im Weidenborn Verlag;  ihre Geschichte, ihre Motivation, ihre Erfahrungen, ihre Leistungen. Und die Leistungen vom Vertrieb für ZWEI zugeschnitten auf den Weidenborn Verlag. 

Vertrieb für ZWEI vertritt Verlage und deren Programme im deutschen Buchhandel. Wir im Weidenborn Verlag machen zwar eine ganze Menge, aber natürlich nicht alles. Für e- und online-a-Books brauchen wir Experten und sicher auch für die Präsenz in Buchhandlungen. Darum freute es mich, dass Till Hohlfeld auf die Bücher des Weidenborn Verlages aufmerksam wurde und nun haben wir beide einige Hausaufgaben. Ein Angebot von Vertrieb für ZWEI und der Weidenborn Verlag muss Print-Werbemedien entwerfen und produzieren lassen. Es geht wohl doch nicht ohne Papier. Buchhändler:innen und Leser:innen möchten gerne Verlagsprogramme und -Vorschauen, Flyer, Postkarten und Lesezeichen in Händen haben. Also habe ich nach unserem Gespräch im Innenhof ein Netz ausgeworfen und Beispiele gesammelt.

Das ist auch Buchmesse: zufällige Begegnungen führen zu Inspirationen, zum Beispiel zu Gesprächen mit einer Lektorin (Pala Verlag), einer Verlegerin (Rhein-Mosel-Verlag) und einem Verleger (achter Verlag). Spannend, was sie von ihrer Arbeit, ihren Motivationen, ihre Erfahrungen und ihre Vorhaben erzählt haben. 

Zu den "specialized social services for the blind", wie sie ONCE auf seiner Seite nennt, gehören auch Bücher. Bücher mit Reliefs zum Beispiel einer Raupe, Braille-Schrift und unterschiedlichen Stoffen, die Böden, Himmel, Fliesen und vieles mehr fühlen lassen. ONCE steht für Organización Nacional de Ciegos de España und hat derzeit ungefähr 70.000 Mitglieder und macht noch Einiges mehr, wie die Homepage und der englische und der spanische Eintrag von Wikipedia berichten. (Der deutsche Eintrag ist kurz und auf die Lotterie fokussiert.) Leider konnte ich an den Braille workshops am Samstag und Sonntag nicht teilnehmen. Ich war ja schon wieder im Norden. Die Workshops waren bestimmt gut, so engagiert und zuversichtlich, wie die Mitarbeiter:innen am Donnerstag auf mich wirkten. Am Stand von Die Werkstatt gab es noch etwas aus Spanien, genauer gesagt aus Katalonien.

Bildhauer, Graveur und Illustrator, Katalane, der von 1936 bis 2011 lebte und dem das Telefonkabel in der Küche nicht gefiel. Also hat er einen Kalender gemacht. Seit fünfzig Jahren gibt es diese Kalender mit wechselnden Motiven, liebevoll gestaltet und hergestellt und Kult in Katalonien und vielleicht ja auch bald in Deutschland. Sohn und Enkel führen die Tradition fort. Mehr zur Geschichte und zu den Hintergründen erzählen die katalanische Wikipedia und Vertrieb für ZWEI. Gefördert wird das Ganze durch Catalonia Trade & Investment. Die deutsche Direktorin ("Area Director Trade") war ebenfalls vor Ort. Sehr interessant, was sie über die katalanisch-deutsche Zusammenarbeit zu erzählen wusste. Über die Signatur von Francesc Gelpí, dem Sohn, der diese Kalender weiterhin erschafft, habe ich ich sehr gefreut. Danke! Zusammengerollt passte er ganz hervorragend in den Rucksack, doch bevor es zum Abendessen und Treffen mit einem Autorenkollegen im Pub gehen konnte, gab es noch einen Vortrag.

Es gab noch einen Kaffee am Stand von Die Werkstatt. Rucksack packen, Jacke überwerfen und Adé Buchmesse, vielleicht wird die nächste ja schon die Leipziger Buchmesse 2023 sein. Es wäre wunderbar, wenn die Pandemie dieses Mal kein Hinderungsgrund wird (Rudi Moos, blog 17 Feb 2022). In Frankfurt waren wenigsten einige Menschen maskiert. Wie schön: blog 14 Okt 2022, Abschnitt Metiquette.

Christa Weßel - Montag, 24 Okt 2022