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Refugium: Buch erschienen

… und Kapitel "Freunde"

Wunderbar, es hat geklappt. Das Buch ist tatsächlich in der zweiten Oktoberhälfte, nämlich gestern, erschienen. Die Bücher sind in Rastede eingetroffen und können nun in die Welt reisen, ob per online-Bestellung oder endlich wieder in der Buchhandlung Ihrer Wahl. Das Bücher schreiben, machen & verbreiten funktioniert nur mit einer Crew, um neun Monate nach den ersten Skizzen und Zeilen sagen zu können: das Buch ist da. 

Freunde

Logbuch SYC, Do, 10 Sep 2020 21:10

N 1 Bf, 1021 mbar, 14 Grad, leicht bewölkt

E(...) ist da: hurra! :o) 

 

Zwar lebt nur ein Mensch hier an Bord, aber allein ist das nicht. SYC (das Boot), Maxine Grou und Knut Baas (die guten Geister, Kapitel "warum und wozu schreiben?!") und ich.

 

Und dann sind da natürlich Paul, der Kormoran, und seine Familie und Freunde. Sie haben seit etlichen Jahren ihr Quartier in der großen Lagune gleich hier neben dem Hafen aufgeschlagen. 

 

Gesellschaft leisten ihnen Möwen, Haubentaucher, Enten, Blesshühner, Schwäne, Frösche (im Sommer) und im Mai sehr viele Mücken. Zum Glück gibt es Spinnen, Schwalben, Bachstelzen, Spatzen und Amseln, die sie für ihre Jungen sammeln. Im Herbst und Winter nimmt die Vogelbevölkerung stark zu: Gänse und Enten aus dem Norden. Seit einigen Jahren bleiben sie und ziehen im Frühjahr wieder gen Norden. Es ist wohl – menschengemacht – warm genug. Zuvor sind viele in den Süden weitergezogen. Stare ziehen ebenfalls im Frühjahr und Herbst hier durch. Ach ja: Schafe am Deich von März bis November. Entspannt. Bussarde ziehen ihre Kreise. Einen Turmfalken sehe ich hin und wieder in der Nähe der kleinen Lagune am Deich. Bei wenig Wind steht er dort mit seinem typischen Rüttelflug in der Luft. Im Sturzflug geht es runter auf den Boden zum Beutefang. 

 

Zurück zu Paul. Seinen Stammsitz auf dem Pfahl gibt es nicht mehr. Er hat andere Plätze gefunden und zeigt weiterhin Ruhe, Gelassenheit und: Refugium. 

 

Außerdem gibt es viele Menschen, die dieses Leben ermöglichen. Mit dem Wort "Freund" gilt es behutsam umzugehen, und doch sind sie alle irgendwie Freunde von SYC. Von diesen Menschen berichtet Maxine.

 

Besuch

 

"Das ist ein wunderschönes Geschenk", war Christas Antwort als E(...) vor knapp zwei Wochen fragte, ob sie auch kurzfristig an Bord kommen könnte. Die beiden kennen sich seit zwanzig Jahren, haben lustige und abenteuerliche Tauchgänge in Deutschland, dem Roten Meer und auch mal im Mittelmeer gemacht. In Deutschland war E(...)’s Zuhause in Berlin die Tauchbasis. Ging prima. Die Autofahrten zu den Seen in Thüringen, Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg waren sehr unterhaltsam und die Tauchgänge erst. 

 

Am Donnerstagabend, den 10 September, kam sie mit dem Zug an. Christa holte sie mit dem Rad ab. Prima, der große Reiserucksack passte auf den Gepäckträger. Zum Glück gibt es ja ein zweites Fahrrad, also konnten die beiden am Freitag nach W(...) fahren. 

 

(...) 

 

E(...) hatte gutes Wetter mitgebracht, das am Tag ihrer Abreise noch schöner wurde. Und gutes "Timing": Donnerstagabend ankommen, eingewöhnen und am Montagmorgen früh wieder weg fahren ist klasse. Dann gibt es keinen abendlichen Abreisestress und E(...) kommt am späten Nachmittag in Berlin an. Sie ist da ja – wie überhaupt – tiefenentspannt: Acht Stunden in Zügen mit Maske, na und. 

 

Maxine – Sonntag, 20 Sep 2020 

 

Im Sommer 2020 entstand außerdem die "neues aus hullerbü"-Crew. Dies sind Menschen, die ich hier im Ort und im Hafen kennengelernt habe, und die lebhaften Anteil am Entstehen des biber-Buches genommen haben. Die Gespräche auf Stegen, an Deck, im Cockpit, am Deich und im Dorf waren so schön, weil sie oftmals spontan entstanden und stets interessant und in vielerlei Hinsicht inspirierend für beide Seiten waren. Für die Frau, die allein auf einem Boot lebt und ein Buch schreibt, und für die anderen, weil es um Boote, Wetter, Pandemie, Politik, Umwelt und einiges aus Berufs- und Privatleben ging. Und noch etwas: sie versorgen mich mit Lesestoff und anderen Dingen, die ich hier im Dorf nicht unbedingt bekomme. Einfach so, und es scheint ihnen Spaß zu machen.

 

Ein Jahr auf einem Boot zu leben, ist nur möglich, weil es Menschen an Land gibt, die sich in so ausdauernder, humorvoller und kreativer Art meiner Wohnung und der Post annehmen.

 

Auf einem Boot zu schreiben, Bücher zu machen und zu verbreiten, braucht unbedingt Feedback. Mittlerweile sind es in all den Jahren eine ganze Reihe von Testlesern geworden, die meine Texte lesen und mit Sorgfalt, Ausdauer, Humor, Kreativität und Zuspruch mein Schreiben begleiten. Und dann war da der – wie Rudi Moos ihn nennt – Berater unseres Vertrauens. Die Zeit mit ihm von der Idee zur Verlagsgründung bis hin zum fünften Buch hat viel dazu beigetragen, dass es auch danach mit dem "Biber" an Bord weiter gehen konnte.

 

Juristen sind – wenn sie gut sind – hervorragende Mediatoren. Dies habe ich von einem Menschen gelernt, der fünfzehn Jahre ein wunderbarer Gefährte war und dem ich den "Biber" gewidmet habe. "Natürlich geht das" meinte er, als ich aus der Klinik heraus zu neuen Berufen und Ländern aufbrach. Er und ein Anwalt – dieses Mal im beruflichen Kontext – haben mir gezeigt, wie es funktioniert mit der Mediation, der Geduld und dem Humor in Konflikten und in großen Vorhaben.

 

Bücher schreiben, machen & verbreiten will auch finanziert sein. Seit mehr als fünfundzwanzig Jahren gibt es "meine Bankfrau". Kennengelernt habe ich sie, als ich mit einer anderen Bank als meiner bisherigen zusammenarbeiten wollte. Sie begrüßte mich mit einem strahlenden Lächeln, als ich die Bankfiliale in Berlin betrat. "Was kann ich für Sie tun?" Eine Menge, wie sich im Verlauf der Jahre zeigte. Ihr Lächeln, ihre Gelassenheit und vor allem ihre Kompetenz tragen viel dazu bei, dass ich einen Lebensweg gehen kann, in dem sich Berufe und Lebensorte immer wieder neu ergeben.

 

Die Menschen, die hier im Hafen und im Werkplaats arbeiten, und noch einige andere Profi-Seemenschen mit Werften & Co an anderen Orten, tragen mit ihrer Arbeit dazu bei, dass es uns "Hobby-Seemenschen" und vor allem den Booten gut geht. Und sie zeigen dabei oft Humor und Gelassenheit.

 

Und dann gibt es da noch Menschen, die ich nicht persönlich kenne, die jedoch inspirieren und Vorbilder sind. Einige von ihnen stellt Stefan Bollmann (2013) in "Frauen und Bücher" vor, beispielsweise Virginia und Leonard Woolf.

 

Virginia Woolf (1882–1941) gründete mit ihrem Mann Leonard 1917 in London den Verlag Hogarth Press. Sie schrieben, entwarfen, setzten, druckten und banden die ersten Bücher selbst. Stets haben sie hohen Wert auf die Qualität des Papiers, der Bindung und insbesondere der Gestaltung des Einbandes gelegt: "It is specially good at printing pictures, and we see that we must make a practice of always having pictures." (Letter 844: To Dora Carrington [13 July 1917] in Woolf 2018). Leonard Woolf soll auch betont haben, wie wichtig die handwerkliche Arbeit an und mit den Büchern für Virginia Woolfs Leben gewesen sei (Bollmann 2013, S. 299). Es gibt weitere Aspekte im Leben von Virginia Woolf, die mich berühren und ermutigen – neben ihren Büchern und Texten.

 

Die Freiheit des Schreibens, weil sie im eigenen Verlag publiziert:

 

1925 (...)

Tuesday, September 22nd

(...) Yet I’m the only woman in England free to write what I like. The others must be thinking of series and editors.

(A Writer’s Diary (1953) in Woolf 2018)

 

Die ersten Jahre von Hogarth Press, in der sie und Leonard Woolf neben der hohen Qualität der Buchproduktion darauf achten, den Verlag mit möglichst niedrigen allgemeinem Kosten zu betreiben. Und ihr berühmter Satz aus "Ein eigenes Zimmer": 

 

(...) a woman must have money and a room of her own if she is to write fiction, (...)

(A Room of One’s Own (1929) in Woolf 2018)

 

Und Zeit. Virginia Woolf soll auch gesagt haben, dass sie so viel schreiben konnte, weil sie jeden Tag drei Stunden ungestört war. Leonard habe ihr dies ermöglicht. (Leider finde ich diese Stelle in den 1250 Seiten, die die Gesamtausgabe als Print haben soll, im Moment nicht im ePub, aber diesen Satz habe ich schon des Öfteren im Büchern über Virginia Woolf gelesen.) Stimmt. Drei Stunden. Manchmal, wenn ein Flow entsteht, werden es auch mehr.

 

Euch allen / Ihnen allen: Danke!

 

Fast ein Jahr bin ich nun, Ende Februar 2021, an Bord und der Gedanke an einen "Apfel" taucht auf.

 

aus: Weßel C. Refugium: Vom Bücher schreiben, machen & verbreiten auf einem Boot

S. 139 bis 143.

ISBN 978-3-947287-08-6 

Weidenborn Verlag, Erscheinungsdatum: 28.10.2021.

 

Kurzbeschreibung & Inhaltsverzeichnis: blog 25 März 2021 

 

 

Neun Monate. Eine Kollegin meinte mal: deine Projekte haben eine gewisse Ähnlichkeit zu anderen menschlichen Projekten. Stimmt. Zu Studierenden und Klienten sage ich auch gerne über ihre Arbeiten: "Das ist 'Ihr Baby'. Das wird etwas Gutes." Ich hoffe, Sie werden genauso viel Freude an "Refugium" haben, wie ich es während seiner Entstehung hatte.

 

Christa Weßel - Freitag, 29 Okt 2021

 

 

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