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Sozioinformatik: Kapitel 1

… Das Buch mit dem Biber

Herzlichen Dank für die Komplimente zur Biber-Zeichnung. Ein ganz besonderes Bild habe ich auf https://www.biberschutz.de/lebensweise1 gefunden. Die "rasselbande" von Christian Kutschenreiter (rechts unten) erinnert mich an Sozioinformatiker: gute Laune, pudelnass und ein Team.

 

Wie versprochen gibt es nun die erste Leseprobe, das erste Kapitel. Denn vorhin sind die Dateien an die Druckerei gegangen. Das geht fast spurlos vorüber: auf einmal ist Version 1.0 fertig und die Dateien bei der Druckerei. 

 

Und wie auch bei den bisherigen Büchern eine kleine Zahlenspielerei. Die Arbeit am A A L und auch den Elchen habe ich mit Schwangerschaften verglichen: der Aal neun Monate, die Elche zwei Jahre (ein Elephant): 28 Oct 2020 About a Book. Die Tragzeit der Biber beträgt 105 bis 109 Tage. Und nun raten Sie, an wie vielen Tagen ich seit dem 31.12.2019 ungefähr am Biber-Buch gearbeitet habe. 

 

Genug der Vorrede. Doch eines noch: Welchen Preis würden Sie für dieses Buch zahlen wollen? Kriterien: Inhalt und das Buch selbst: 200 Seiten, Softcover mit hochwertiger PUR-Klebung und Munken-Papier. Beides hinsichtlich Qualität und Nachhaltigkeit.

 

Und nun: Kapitel 1

 

Von Menschen & Computern … und Bibern

Was hat ein Biber mit Sozioinformatik zu tun? In der Sozioinformatik geht es um die Beziehungen von Menschen und Informationstechnologie im weitesten Sinne, anders ausgedrückt: um die Zusammenhänge von Informations- und Kommunikationstechnologie und sozialen Veränderungen.

 

Biber sind soziale Wesen und große Baumeister. Biberkolonien sind soziotechnische Systeme vom Feinsten. Auch andere Lebewesen bilden mit ihren Beziehungen untereinander, zur Umwelt und mit den Dingen, die sie nutzen und bauen, soziotechnische Systeme: Ameisen, Termiten, Vögel, Primaten und viele mehr. Biber sind Säugetiere, die in Familienverbänden leben: monogame Eltern mit zwei Generationen Jungtieren. Sie nutzen Baumaterial aus der Natur, stellen Artefakte her – Burgen und Dämme – und verändern die Natur.

 

Für wen ist dieses Buch gedacht? Es ist für Menschen (w/m/d), die sich als Entwickler, Forscher, Verbreitende, Entscheider und als Nutzer in der Welt von Computer & Co bewegen, und mehr über soziologische und psychologische Aspekte erfahren möchten.

 

"Wir sollen keine Computer benutzen?" Erstaunte Gesichter im ersten der acht Workshops zum Thema Sozioinformatik an einer Hochschule. "Zunächst einmal nicht. Sie werden in einigen Übungen und in Ihren Arbeiten sicher Computer und das "Netz“ nutzen. Später. Erst einmal und die meiste Zeit werden Sie selbst denken und handeln." – "?" – "Sie wissen bereits sehr viel und Sie können Fragen und Antworten gemeinsam mit Ihren Mitstreitern entwickeln, ohne Tante Wikipedia und Onkel Google fragen zu müssen."

 

Der erste Schritt zur digitalen Kompetenz dieser Studierenden Anfang zwanzig. Sie haben sich in den Workshops auf dieses Experiment eingelassen, mit Erfolg und wie sich zeigte: mit Spaß daran. Ausgangspunkt waren die leitenden Fragen der Sozioinformatik:

 

Was machen die Menschen mit der Technik?

Was macht die Technik mit den Menschen?

 

Sozioinformatik ist multidisziplinär. Sie schöpft aus Soziologie, Psychologie, Philosophie, Anthropologie, Völkerkunde, Geschichte, Ökonomie, Recht und – natürlich – Informatik.

 

Aufgabe der Sozioinformatik ist, das Design, die Implementierung und die Pflege und Weiterentwicklung von Informationssystemen zum Wohl des Einzelnen, von Gruppen und der Gesellschaft zu unterstützen – und zwar so, dass diejenigen, die diese Systeme entwickeln, bauen, pflegen und verkaufen, die Technologie auf das Wohl der Menschen zuschneiden und nicht umgekehrt. Außerdem sollten sie Nachhaltigkeit und die Umwelt im Auge behalten. Von Bedeutung sind beispielsweise Energieverbrauch sowie die Gewinnung und Wiederverwertung (seltener) Rohstoffe.

 

Die soziotechnischen Systeme der Biber gewährleisten das Wohl der Gemeinschaft, indem sie eine Einheit mit der Natur und somit Umwelt bilden. Die Teile dieses Buches lehnen sich an das "technische“ Material an, mit dem Biber arbeiten. Aus Wurzeln wächst das Baumaterial. Die Stämme und Äste werden zu Dämmen und Burgen. Aus den Blüten entstehen Früchte und in der Welt der Menschen manchmal Kurioses.

 

Der erste Teil WURZELN skizziert den Kontext. Er nähert sich dem weiten Feld der Sozioinformatik mit einem Katalog von Fragen, nimmt eine Definition der Sozioinformatik aus Sicht einer Organisationsentwicklerin vor und skizziert die Geschichte einiger Wissenschaften, auf denen die Sozioinformatik aufbaut. Dieser Teil schließt mit dem Blick auf die Frage, wie wir Sozioinformatik lernen und lehren können und gibt ein paar Antworten.

 

Im zweiten Teil STÄMME & ÄSTE geht es um das Baumaterial, die Inhalte der Sozioinformatik. Dazu zählen Selbstbestimmung und Souveränität, digitale Kompetenz und Geschicklichkeit, Ethik, Nutzerbedürfnisse, globale Vernetzung, Lebens- und damit auch Arbeitsqualität. Anhand eines fünfjährigen Projekts betrachten einige Kapitel Forschung und Entwicklung (F&E). In diesem Projekt entwickelten Experten aus Informatik, Medizin und einigen anderen Disziplinen ein öffentliches, web-basiertes Informationssystem über Krankenhäuser.

 

Corona, die COVID-19-Pandemie, hat in den ersten Monaten des Jahres 2020 weltweit das soziale Leben und die Nutzung von Informations- und Kommunikations-Technik vieler Menschen, Institutionen und Unternehmen radikal verändert. Corona ist in den Kapiteln über das Verstehen, das Verbreiten und den Beitrag, den Menschen leisten können, das leitende Thema. Am Beispiel der Pandemie erläutern diese Kapitel Theorien, Konzepte und Methoden zur Bewältigung weitgreifender gesellschaftlicher Veränderungen. Dazu gehört neben soziologischen und psychologischen Aspekten auch der Nutzen, den Computer & Co schaffen können. Eine junge Frau hat mir gestattet, ihre Reflexionen zu Corona in dieses Buch aufzunehmen. Es geht um das Arbeiten im Home Office, die andere Art Urlaub zu machen und die Möglichkeiten, auch im Privatleben mittels Werkzeugen der Informations- und Kommunikationstechnologie zusammen mit anderen kreativ zu sein. Zwei Reflexionen sind, passend zur Generation dieser Frau, im Kapitel leben 4.0. Eine befindet sich im Kapitel verstehen.

 

Der dritte Teil BLÜTEN erzählt weitere Sozioinformatik-Geschichten aus dem "richtigen" Leben. Es geht um Fragen wie: Brauchen Manager einen Schraubenzieher oder eher ein Buch? Welche Blüten können Datenschutzverordnungen treiben? Wie hilft gute Informations- und Kommunikationstechnologie (IT/IKT) beim Umgang mit der Steuererklärung? Und warum steht nicht Sozioinformatik drauf, wenn Sozioinformatik darin ist, beispielsweise in der Ausschreibung für eine Professur oder in den Internetauftritten und Publikationen von Instituten? Und wie können wir damit umgehen?

 

Der vierte Teil BIBER enthält einen Dank und listet Arbeiten von Akteuren der Sozioinformatik auf: Filme, Studienprogramme und Quellen.

 

Ausgangspunkt für dieses Buch waren Dokumentationen zu Workshops in der Sozioinformatik, die als Blogeinträge den Studierenden und anderen interessierten Lesern zur Verfügung standen und stehen, sowie Reflexionen aus meiner Arbeit mit und in der Sozioinformatik. Mein Dank gilt den Studierenden und anderen Mitstreitern in der Sozioinformatik für ihr inspirierendes Feedback, das die Idee zu diesem Buch entstehen lies.

 

Dieses Buch ist eine Collage. Es enthält Überblicke über theoretische Hintergründe, Geschichten und Beispiele der Sozioinformatik. Ein aktuelles Beispiel ist die COVID-19-Pandemie. Wahrscheinlich entstehen nach der Fertigstellung des Manuskripts bis zum Erscheinen des Buches neue Erkenntnisse über diese Pandemie und weitere soziale, gesellschaftliche und technische Veränderungen. Auf den Darstellungen der erste zehn Monaten des Corona-Jahres 2020 bauen Erläuterungen theoretischer Hintergründe und die Bezüge zur Sozioinformatik auf, die über das tagesaktuelle Geschehen hinausgehen.

 

Außerdem gibt es Übungen. Anhand einiger Kinofilme stelle ich hier und da Fragen, mit denen Sie sich allein und zusammen mit anderen dem jeweiligen Thema nähern können. Einige davon sind Science Fiction Filme. Science Fiction liegt in seinen Zukunftsbildern oft sehr nahe an dem, was Jahre oder Jahrzehnte später eintritt. Geschichte_n sind die älteste Methode der Dokumentation, Überlieferung und des Lernens.

 

Ein Leser hat zu meinem vorhergehenden Buch "andere arbeiten lassen" (2019) angemerkt, dass ich mich dort häufig auf die "Elche“, die Fachbuchreihe von 2017, beziehe. Stimmt. Die Inhalte der Bücher sind eng miteinander verwoben. Bevor ich etwas in aller Tiefe noch mal in ein weiteres Buch schreibe, beziehe ich mich lieber auf das Buch, in dem es bereits vorkommt. Dies habe ich von meinem Doktorvater, Dieter Conen, Professor em. an der Universität Basel, gelernt (1998/1999): "Die Kunst ist, sich kurz zu fassen. Wichtig ist: Erläutern Sie das, worum es geht, in ein paar Sätzen, so dass der Leser es versteht, und zitieren Sie sauber. Wenn der Leser möchte, kann er dann dort weiterlesen." Also werden Sie auch in diesem Buch Verweise auf eigene frühere Arbeiten finden und natürlich auf zahlreiche Arbeiten anderer Autoren.

 

Es gibt den europäischen Biber auch wieder in Deutschland. Noch sind es wenige. Mit dem zunehmenden Bewusstsein, dass wir Teil dessen sind, was wir Umwelt nennen, und diese respektieren müssen – es ist eine Frage des Überlebens der Menschheit, besteht die Möglichkeit, dass der Biber sich weiter ausbreitet. Dann können Sie auf Ihren Spaziergängen an einem Fluss oder in einer Aue beobachten, wie es funktioniert mit der Technik und dem Sozialen.

 

post scriptum: In diesem Buch verwende ich oft eine neutrale, manchmal die weibliche und manchmal die männliche Form. Unabhängig vom verwendeten grammatikalischen Geschlecht sind alle Geschlechter gemeint: weiblich, männlich, divers.

 

aus: Weßel C. Sozioinformatik: Von Menschen & Computern … und Bibern.  

ISBN 978-3-947287-07-9. 

Weidenborn Verlag 2021 | S. 7-11.

 

Inhaltsverzeichnis: blog 28 Nov 2020

 

Wie geht es weiter? Nun ist die Verlagscrew dran. Auch dort berichten und vieles mehr. Blogger-Kollege Rudi Moos hat von diesen Schritten ja schon ausführlich bei den Elchen und beim Aal erzählt und eine Seite für den Biber hat er auch schon eingerichtet. Danke ;o)

 

Noch ohne Preis, denn den werden Sie ja hoffentlich finden. Freue mich auf Ihre Ideen.

 

Christa Weßel - Mittwoch, 02 Dez 2020

 

[Mo, 04 Jan 2021: Buch Sozioinformatik erschienen …]