... im Schwarzwald
"Was auch sehr besonders an den Workshops war, dass man bei Aufgaben aufgefordert wurde, selbst zu denken und nicht immer das Internet zu benutzen. Man sollte sich so [un]abhängig von der Digitalisierung machen, sonst würde man verblöden."
Aus dem Portfolio eines Studenten in diesem Wintersemester an der Hochschule Furtwangen. Das Portfolio bildete den Leistungsnachweis für das Modul Informatik im sozialen Kontext. Außerdem haben die elf - die Fußballmannschaft - im Modul Soziale Netze in Kleingruppen von zwei bis drei Studierenden eine Seminararbeit erstellt.
Die Rede ist von der Workshopreihe, zu der ich die beiden Module im Studiengang IT-Produktmanagement mit dem Schwerpunkt Sozioinformatik
zusammengefasst habe. Wie im Sommer waren auch in diesem Semester die Studierenden "gut drauf" und dank meiner Lernkurve und der
sehr guten Sekretärinnen im Dekanat der Fakultät für Informatik war das Organisatorische dieses Mal ein Klecks, ... äh ... Klacks. (Der russische Astronaut im Film "2010: Das Jahr, in dem wir
Kontakt aufnehmen" - Peter Hyams 1984).
Wie fit sind die Studierenden?
Eines habe ich jedoch mit Bedauern und Besorgnis beobachtet. Die Studierenden hatten zum Teil erhebliche Probleme mit der Merkfähigkeit und mit ihrem mündlichen und vor allem dann schriftlichen sprachlichen Ausdruck. Die Texte waren Wimmelbilder aus Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Morbus Passiv war auch in dieser Gruppe verbreitet. Dabei stammten die besten Texte von zwei Nicht-Muttersprachlern. Die anderen Nicht-Muttersprachler waren zumindest poetisch in ihrer Sprache. Der unzureichendste Text kam von Muttersprachlern. Die Sprachherkunft war also nicht das Problem.
Außerdem sind die Basiskenntnisse in der Informatik noch sehr ausbaufähig.
Zur Merkfähigkeit hat Eve Marder von der Brandeis University kürzlich ein Plädoyer für das Stärken dieser Fähigkeit verfasst. Das Abstract besteht aus einem Satz:
Creativity in science requires the ability to recall information and data, and will suffer if we rely too much on technology to remember things for us. (https://elifesciences.org/articles/30599)
So fit wie Lehrende und Hochschule es ermöglichen
Diese - anders kann es ich nicht ausdrücken - Schwäche laste ich nicht den Studierenden an. Sie können nur so gut sein wie die Lehrenden und das Lernsetting. Wir müssen uns als Lehrende und Hochschule fragen, was wir tun können, damit die Studierenden sowohl fachlich (Informatik, Betriebswirtschaftslehre, Soziologie) als auch methodisch (Sprache, wissenschaftliches Arbeiten) besser werden.
- Wir, die Lehrenden, müssen die Studierenden sowohl fordern als auch fördern. Wir dürfen weder "Arbeiten durchwinken" noch zu hohe Anforderungen stellen (siehe ebenfalls den Blog vom 12.07.2012)
- Wir, die Lehrenden, müssen uns untereinander in interkollegialer Intervision regelmäßig austauschen und Inhalt und Anforderungen unserer Lernveranstaltungen aufeinander abstimmen. (Ein schönes Beispiel interkollegialer Abstimmung habe ich während des siebten Workshops vor gut einer Woche mit dem Dekan und dem Studiengangsleiter an der Fakultät für Informatik der HFU erlebt.)
- Wir, die Studierenden und die Lehrenden - und damit die Hochschulen, brauchen ein anderes Lernsetting (vgl. den Blog vom 16.11.2017 und die Arbeiten zur Studie Blended Learning and Visiting Lecturers, zusammengefasst im Blog vom 12.07.2012)
Das Folgende stammt aus einem weiteren Portfolio.
"Die Gesamtreflexion werden meine abschließenden Worte dieses Portfolios, was quasi als mein Fazit zu werten ist. Hierbei gehe ich auf die Workshops ein und nicht auf das bereits beschrieben
und geschrieben im Portfolio. Durch diese Workshops habe ich eine neue Art des Lernens kennenglernt, die bisherigen Workshops sind sehr gut strukturiert und haben mehr Spaß gemacht als jede
trockene Vorlesung oder Seminare, die Zeit ging somit auf spürbar schneller vorbei, aus dem folgenden Grund, weil ständig Bewegung herrscht und man immer etwas zu arbeiten hatte. Auch der Aspekt
das Filme uns wichtige Erkenntnisse liefern können, finde ich super da hierdurch auch moderne Methoden in den Vordergrund rücken. Die Reflexion der Kommilitonen zu Beginn der Workshops über den
vergangenen Workshop halte ich für eine sehr sinnvolle Methode da hier doch mehr als gedacht im Gedächtnis bleibt.
Zudem habe ich mir mehr Gedanken um meinen Studiengang "IT – Produktmanagement" gemacht und mich intensiv mit seinen Komponenten und Segmenten beschäftigt. Ferner fand ich die Verknüpfung der
Sozioinformatik mit den Problemen, Fragen oder Aufgaben hinsichtlich anderer Module, die die Studierenden in diesem Semester hatten ausgezeichnet, da beispielsweise einzelne Komponente, wie
Führung und Teambildung [...] Feedback für die Gliederung sehr hilfreich sind. Abschließend kann ich sagen ich habe ein neu gewonnenes Repertoire an Wissen dazu gewonnen und konnte bei
mir selbst einen stetigen Lernprozess feststellen."
Studierende können und wollen lernen. Wir müssen es "nur" auch wollen.
Fazit und Ausblick
Zurück zum Inhaltlichen, der Sozioinformatik. Das Jahr im Schwarzwald ist nahezu voll. Am 23. Januar 2016 war ich zum ersten Mal an der HFU und habe dort zwei Vorträge gehalten (Blog vom 20.01.2016).
Es war ein sehr inspirierendes Jahr. Ich freue mich für die HFU, dass sie mittlerweile die Professur für Sozioinformatik besetzen konnte und sich nun eine Kollegin "full time" der Aufgabe widmen
wird, den Schwerpunkt Sozioinformatik im Studiengang IT-Produktmanagement weiter auszubauen ... damit nach vierzig Jahren Sozioinformatik in den USA und anderswo dieses Fach
auch bei uns zu einem selbstverständlichen Teil der Informatik wird.
Und ich bin gespannt, ob und wann die Sätze der Professoren und auch Sekretärinnen an der HFU wahr werden: Sie müssen wiederkommen.
Gerne.
Christa Weßel - Sonntag, 21.01.2018
Quellen
- Hyams P. 2010: Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen. USA, UK - Metro-Goldwyn-Mayer 1984.
- Marder E. Living Science: The importance of remembering. eLife 2017;6:e30599. DOI: https://doi.org/10.7554/eLife.30599 - https://elifesciences.org/articles/30599 - 24 Aug 2017
- Weßel C. Lernqualität durch Lehrqualität ... im kompetenzorientierten Lernen. Blog vom 12. Juli 2012
- Weßel C, Wolff F. Wie kann eine Hochschule Lehrende im Blended Learning unterstützen? Eine explorative Studie im Studiengang Wirtschaftsinformatik. In: Beverungen J (Hg). Studium Duale. Journal der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mannheim zu Dualer Lehre und Kooperativer Forschung. Band 17. Mannheim. DHBW Mannheim 2012: 169-172. - PDF
Blogrubriken Lernen & Lehren und Sozioinformatik
< Blog refit heute Die erste
Buchvorstellung >