Was machst Du eigentlich?
Oder: "Was ist Ihr Beruf? Was ist Ihr Job?" Diese Frage kommt in unserer Kultur sehr rasch bei neuen Bekannten oder auch in der Arbeitswelt. Eine Kollegin: "Endlich mache ich nur noch das, was ich immer schon machen wollte." Sie hat vor einigen Jahren eine Position im Ausland angeboten bekommen. Die Bedingung: Sie musste innerhalb von vier Wochen dort sein. Dazu musste sie ihre Praxis auflösen und die Räume an jemand anderen übergeben. Von der Auflösung ihres Haushalts und dem Abschied von Familie, Freunden und Kollegen ganz zu schweigen. Mein Kommentar: "Ich wüsste genau, was ich machen würde, wenn ich nur noch das machen würde, was ich immer schon machen wollte." - "Was?" - "Schreiben und Bücher machen." - "Dann mach es: Worauf wartest du?"
Kürzlich kam noch eine Begegnung mit einem Kollegen hinzu. "Also, wenn ich einen potentiellen Kunden treffe, geht das so: Wir sprechen über ein Vorhaben, bei dem ich ihm vielleicht helfen könnte - zum Beispiel das Teakdeck seines Bootes herrichten. Dann sage ich ihm: ich kann Ihnen dazu eine Offerte machen. Entweder geht der andere darauf ein und fragt, in welchem zeitlichen und Kostenrahmen sich das bewegen könnte, oder ich merke: ah, das kriegt der auch selbst hin, und wir sprechen vielleicht noch über Details wie die Körnung des Schleifpapiers und dass er Blöcke und Relingsbefestigungen abbauen sollte, bevor er die Schleifmaschine schwingt." - "Und wie findest du deine Kunden?" - "Sie begegnen mir oder sie kommen auf Empfehlung." - "Wie entscheidest du, ob du mit ihnen arbeiten möchtest?" - "Es gibt drei Zauberfragen: Habe ich Bock? Auf den Menschen, auf das Thema. Habe ich Zeit? Ich will entspannt arbeiten. Beherrsche ich das Thema?" - "Wie, das Thema als letztes?" - "Ja, denn wenn ich schon gemerkt habe, der Mensch und ich kommen nicht klar, ist alles andere nicht mehr wichtig. Ich mache nur eine Offerte, wenn ich im Gespräch merke, dass ich das Thema, um das es geht, auch beherrsche. Dann reden wir über den Umfang und den Schwierigkeitsgrad und was dem Kunden sein Teakdeck - oder worum es sonst gerade geht - wert ist. Und ich sage, ob ich das zu dem Betrag machen kann." - "Will." - "Stimmt. Will gleich Kann."
Im interkollegialen Austausch - für eine Intervision im Sinne einer Supervision ist das Ganze nicht formell genug - geht es immer mal wieder um Energie und Fokus. Die Arbeit mit einer Coachingklientin hat mich kürzlich darauf gebracht: Will ich das eigentlich noch? In Unternehmen beraten, mit einzelnen Coachingklienten arbeiten? Was will ich eigentlich? Wie sagte die Kollegin, die nach Israel gegangen ist: Mach! Also fokussiere ich: Schreiben und Bücher machen. Außerdem macht mir das Lehren viel Freude. Darum werde ich weiterhin Seminare an Hochschulen und in Unternehmen durchführen. Coaching war schon immer ein Lernprozess gemeinsam mit dem Klienten oder Studierenden. Also reiht sich das dort ein.
Auf Veränderung Gestalten Lernen finden Sie die Seminare und wie ich mit Coachingklienten arbeite.
Der Kollege mit dem Teakdeck: "Du wirst sehen, du gewinnst sehr viel Zeit. Konzentriere dich auf deine Themen und auf die Menschen, mit denen du gerne arbeitest." Mein erster Eindruck: stimmt. Keine langen Erklärungen mehr, wenn Menschen mich fragen, was ich eigentlich mache. "Schreiben." Das genügt als Einstieg.
Christa Weßel - Sonntag, 19. März 2017
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