Psychodrama in der Gestaltausbildung
Ganz so schwungvoll wie Liza Minelli in "Cabaret" bei der Performance von "Life is a Cabaret" waren wir am Wochenende im Workshop "Psychodrama" am Gestalt Institut in Frankfurt am Main nicht. Viel gefehlt hat allerdings auch nicht. Es war alles dabei:
Komödie und Tragödie. Wir entdeckten Seiten an uns und Möglichkeiten des Fühlens und Handelns, die weit über die Rollen hinausgehen, die jeder von uns sowieso in seinen unterschiedlichen
Lebensbereichen und Stimmungen einnimmt.
Es ist Jacob Levy Moreno (1889–1974) zu verdanken, dass das Psychodrama in die Therapie und auch - das war der Wiedererkennungseffekt für mich - in die konstruktivistische Didaktik gefunden hat.
Moreno, Arzt um die 1900-Wende in Wien ging - so er selbst in seiner Autobiographie - Freuds Weg weiter. "Dr. Freud, Sie treffen Menschen in der künstlichen Umgebung Ihrer Praxis. Ich treffe sie
in ihrer natürlichen Umgebung. Auf der Straße und in ihrem Zuhause. Sie analysieren Träume, ich ermutige sie, wieder zu träumen. Sie analysieren und reißen Träume auseinander. Ich lasse die
Menschen ihre widerstreitenden Rollen ausagieren und helfe ihnen, die Teile wieder zusammenzusetzen." (eigene Übersetzung einer Passage aus Wikipedia contributors, 'Psychodrama' 24 July
2016)
Moreno geht davon aus, dass wir zum einen als Individuum und zum anderen im Kollektiv existieren und uns erst durch die Begegnung mit anderen entwickeln. Damit ist er den Sichtweisen von Buber
und auch der Gestalt-Therapie, begründet von Laura und Fritz Perls, nahe. Auch Gestalt setzt Elemente des Psychodramas ein.
Sehr gut und prägnant haben Kersten Reich und die Autoren des englischen Wikipedia beschrieben, wie das Ganze funktioniert und welche Hintergründe Psychodrama hat. Die Quellenangaben befinden
sich am Ende dieses Eintrages. Darum wiederhole ich dies an dieser Stelle nicht, sondern möchte vor allem eine Teilnehmerin zitieren. Immer wieder kam der - leise - Ausruf "Magie!" Die Magie des
Psychodramas haben wir mit der Leiterin des Workshops oder - wie Gestalt und Psychodrama sagen - der Begleiterin des Workshops Delphine Akoun erlebt: Der Protagonist schildert der Gruppe
ein paar Hintergründe und vielleicht auch eine Szene und sagt etwas zu den Personen, die dort beteiligt sind. Der Ehemann, die Urgroßmutter, der Kollege, die Freundin, Kinder und so weiter und so
fort. Der Protagonist wählt aus, wer im Raum als Hilfs-Ich diese Rollen übernehmen soll und geht mit ihnen in die Aktion. Manchmal doppelt die Begleiterin den Protagonisten oder eines der
Hilfs-Ichs und spricht Aspekte aus, die an Prägnanz gewinnen sollen. Vielleicht traut sich jemand nicht, etwas anzusprechen. Oder die Begleiterin friert die Szene ein und gibt der Aktion dann
eine andere Richtung. Beispielsweise übernimmt ein Hilfs-Ich die Rolle des Protagonisten, damit dieser sich selbst beobachten kann.
Darauf bezog sich der Ausruf "Magie!" Wir wussten jeweils nur sehr wenig über die Menschen, in deren Rolle wir auf Wunsch des jeweiligen Protagonisten agieren sollten. Was passierte? Wir lagen
sehr dicht dran. Was passierte noch? Unsere Gefühle als "Großmutter", "Freund", "Geliebter" oder auch "Angst" unterstützten den Protagonisten darin, Klarheit zu gewinnen, auszuprobieren und neue
Wege zu versuchen. Damit konnten wir an diesem Wochenende all das erleben, das JL Moreno den Menschen zuschreibt: Kreativität, Spontaneität und Empathie. Empfehlung: probieren Sie es aus.
Sie finden sicher einen Workshop "Psychodrama"
Christa Weßel - Montag, 12. September 2016
- Reich K (Hg). Methodenpool - Psychodrama. Köln 2003. http://methodenpool.uni-koeln.de/download/psychodrama.pdf 12.09.2016
- Wikipedia contributors, 'Psychodrama', Wikipedia, The Free Encyclopedia, 24 July 2016, 02:23 UTC, <https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Psychodrama&oldid=731245464> [accessed 12 September 2016]
Auf dem Büchertisch im Workshop lagen:
- Buer F (Hg). Morenos therapeutische Philosophie - Zu den Grundideen von Psychodrama und Soziometrie. 3. Auflage. Opladen, Leske und Budrich. ISBN-13: 978-3810007605 [Moreno verstehen]
- Moreno JL. Die Grundlagen der Soziometrie - Wege zur Neuordnung der Gesellschaft. (engl.: Who Shall Survive?: Foundations of Sociometry, Group Psychotherapy, and Sociodrama.) 3. Auflage. Wiesbaden, Springer Fachmedien 1974. - ISBN-13: 978-3531111377 [Das Grundlagenwerk]
- Bender W, Stadler C. Psychodrama-Therapie: Grundlagen, Methodik und Anwendungsgebiete. Stuttgart, Schattauer 2011. - ISBN-13: 978-3794528004 [how to]
- Schacht M. Spontaneität und Begegnung: Zur Persönlichkeitsentwicklung aus der Sicht des Psychodramas. München, inScenario Verlag 2003. - ISBN-13: 978-3929296136 [Lehrbuch]
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