Gestalt_en in Pforzheim

Zum ersten Mal auf einer Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gestalttherapie (DVG). Warum? Reinschnuppern, schauen wer sonst noch so im Gestalt-Bereich in Deutschland aktiv ist und - was für eine Art Konferenz es denn nun wohl werden wird. Wird es vor allem um Erfahrungsberichte, Reflexionen und das Ausprobieren in Workshops gehen? Werden auch wissenschaftliche Vorträge dabei sein?

Antwort (A) trifft zu. Diese Tagung mit dem Titel "Gesundheit und Lebensqualität in Zeiten des Wandels" bot einen reichen Schatz verschiedenster Themen von der "ganz normalen" Arbeit mit Einzelpersonen und Gruppen über Gestalt für das Thema Genuss bis hin zum Coaching, bei dem auch "mein" Thema, die Organisationsentwicklung durchblitzte.

Am besten gefallen haben mir zwei Vorträge von Philosophen. Jürgen Kendziora, Bonn und Köln, hat über "INNEN und AUSSEN Eine zeitlose? Betrachtung" gesprochen. Wenn Sie auf klare und mit hoher Qualität vereinfachte Weise den neurophysiologischen Prozess des Sehens auf einer vier Meter langen Papierrolle - die Parallele zum Pergamonfries in Berlin ging mir unmittelbar durch den Kopf - erklärt haben wollen und dann noch einen guten Bezug zu Gestalt, Konstruktivismus bis hin zur philosophischen Betrachtung spiritueller Aussagen hören wollen: schreiben Sie ihm. Er hält gerne solche Vorträge (jkendziora[at]web.de)

Am Sonntagmittag sprach Erich Schechner, Bonn, sinnorientierung.eu, über "Logos - Der Schrittmacher des Seins". Logos bedeutet auf griechisch Geist, Grund, Vernunft und Sinn. Und da waren sie alle wieder, die Philosophen, die mir in meinem Public Health Studium begegnet sind:

Sören Kierkegaard mit seiner Dissertation "Entweder oder", Karl Jaspers und die bedingte Freiheit und vor allem Viktor Frankl und der Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung. Warum das in einem Studium der Gesundheitswissenschaften von Belang ist? Weil es um Befähigung und um Selbstbestimmung der Menschen geht (Philosophie ...)

Die Liste der unbedingt bald noch mal zu lesenden Bücher finden Sie am Ende dieses Blogeintrages (das Studium liegt mehr als fünfzehn Jahre zurück und die Bücher sind längst wieder dort, wo ich sie her habe, in den Unibibliotheken in Berlin). Der Buchhändler meines Vertrauens wird sich freuen (Blog vom 9.12.2015)

Hinzu füge ich noch: Timeless Experience.

Nancy Amendt-Lyon hat die bislang unveröffentlichten Texte von Laura Perls aus der Zeit von 1946 bis 1985 editiert. Wenn Sie sich im Buch die Fotos einiger Notizseiten ansehen, ahnen Sie, welche Arbeit darin steckt.

Nancy hat das Buch und ihre Arbeit daran am Freitag vorgestellt. Mit den Schriften von Laura Perls diese Tagung in Pforzheim zu eröffnen, war eine gute Wahl. Laura ist hier geboren und aufgewachsen und für die letzten Monate ihres Lebens zurückgekehrt. Ihre und die Asche ihres Mannes Fritz Perls sind auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt.

Also wahrlich keine wissenschaftliche Konferenz, wie ich sie seit Jahren immer wieder besuche, sondern Begegnung, Kontakt und viel Inspiration - eben ganz Gestalt.

Christa Weßel - Montag, 9. Mai 2016

Die Liste für den Buchhändler:

• Amendt-Lyon N. Timeless Experience. Laura Perls's Unpublished Notebooks and Literary Texts 1946-1985.  Cambridge Scholars Publishing 2016. ISBN-13: 978-1-4438-8889-9 - http://www.cambridgescholars.com/timeless-experience
• Frambach L. Identität und Befreiung in Gestalttherapie, Zen und christlicher Spiritualität. Via Nova Verlag 1994. ISBN-13: 978-3928632102
• Frankl V. Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn: Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk Taschenbuch. Piper Taschenbuch Verlag 1985. ISBN-13: 978-3492202893

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