Gestalt lernen in Dreiergruppen
Wieder ein Seminar in der Gestaltausbildung (Blog vom 09.12.2015 u.a.). Diesmal im GIT, dem Gestalt Institut Tübingen, das mit dem Gestalt
Institut in Frankfurt am Main assoziiert ist. Nach den Einführungen im Oktober und Dezember und dem Thema "Wahrnehmung" im Februar haben wir nun im April zum ersten Mal in der Konstellation
gearbeitet, die uns in den nächsten Jahren begleiten wird, in der Triade.
Triade, Dreiheit, ist in der Soziologie die kleinste Gruppe, in der mehr passieren kann als in Zweierkonstellationen. In unserer Gestaltausbildung machen wir uns dies als
Klient-Therapeut-Beobachter zunutze. Eine Teilnehmerin übernimmt die Rolle des Klienten. Sie spricht über ein Thema. Eine Teilnehmerin agiert als Therapeut. Die dritte ist der Beobachter.
Unterstützer, Ermöglicher, Öffnender ... Haltung in Gestalt
Anmerkung: statt Therapeut konmt auch der Begriff des Begleiters zur Anwendung. In Gestalt gibt es keinen Krankheitsbegriff. Der Gestalt-Begleiter ist Unterstützer, Ermöglicher,
Öffnender.
Seine Haltung entspricht der, die auch andere Richtungen, sei es Psychotherapie, Analyse oder auch Coaching und in meinen Augen auch gutes Consulting auszeichnen:
Zur Komplementarität eine kurze Anmerkung. Paul Watzlawicks fünftes Axiom der Kommunikation besagt, dass zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe entweder symmetrisch oder komplementär sind.
Dies soll heißen, dass die Beteiligten auf Augenhöhe (Gleichheit) oder aus unterschiedlichen Positionen miteinander kommunizieren. In einem therapeutischen Setting oder auch im Lernen
kommunizieren die Beteiligten aus unterschiedlichen Positionen. Buber und De Roeck sprechen davon, dass Ärzte, Lehrende und Therapeuten eine komplementäre Beziehung zu ihren Klienten haben, da
sie über das, worum es geht, mehr wissen. Darum sind die Beteiligten in diesen Settings nicht auf Augenhöhe. Natürlich sind sie sehr wohl auf Augenhöhe als Menschen. Dabei sind Ärzte, Therapeuten
und Lehrende Gebende, nicht etwa Überlegene. Es geht stets um den Klienten. Der Begleiter gibt Aufmerksamkeit und sein Wissen und Fühlen.
Neutralität in Gefühlen gibt es nicht. Und Gefühle sind der Zugang zum Klienten. Die Frage ist nicht: Was sagt der Klient? Sondern: Wie sagt er es? Was löst das in mir aus? Wo könnten Blockaden
liegen? Wie kann der Klient - mit meiner Unterstützung - damit weiterarbeiten?
Ebenfalls aus der Kommunikationstheorie stammt das Eisberg-Modell. Die Fakten sind sichtbar über der Wasseroberfläche. Beziehungen und Gefühle machen den weitaus größeren und nicht so
offensichtlichen Anteil unter der Wasseroberfläche aus. Bei einem Eisberg ist ungefähr ein Achtel über Wasser sichtbar. Wie wichtig der Anteil unter der Oberfläche für das Überleben ist, wissen
nicht nur Seeleute.
Triade-Setting
Zurück zur Triade. Im Setting Klient-Begleiter-Beobachter wechseln wir uns in den Rollen ab. Zwanzig Minuten läuft der Prozess zwischen Klient und Begleiter. Der Beobachter sagt nichts und
versucht auch, nonverbale Signale zu unterlassen. Nach den zwanzig Minuten gibt er dem Begleiter Feedback. Hier geht es vor allem um Gefühle. Welche Gefühle traten beim Beobachter wann auf? Wie
erlebe ich die Sitzung? Wie geht es mir dabei?
Damit dient der Beobachter als Resonanzkörper für den Begleiter.
Der Begleiter kann zu diesem Feedback kurz etwas sagen, es sollte sich aber kein Dialog entwickeln.
Wichtig ist, den Klienten zu schützen. Sie kann während des Feedbacks den Raum verlassen.
Und wie war's? Diese Dreierkonstellation des Lernens kenne ich aus anderen Bereichen, sei es Medizin, Coaching oder Consulting. Ich erlebe sie als sehr lern-reich. Vor allem, weil es möglich ist,
in einem so geschützten Raum den Fehler zu machen, den Berater, Coaches und Therapeuten immer wieder machen: Zu aktiv zu sein. - Und daraus zu lernen.
In solch einem Setting, in solch einer langjährigen Ausbildung ist es möglich zu lernen und zu verinnerlichen: Der Klient kennt die Lösung oder seinen Weg. Lass ihm den Freiraum, sie zu
entdecken. Wie immer im Lernen gilt auch hier: üben, üben, üben.
Gestalt_en kennenlernen
Nach diesem Wochenende in Tübingen fragte ein guter Freund mich: Kann man mal die Menschen kennenlernen, mit denen Du drei Jahre unterwegs sein wirst und das, was Ihr da macht, mal
ausprobieren?
Ja, zum Beispiel auf dem GIF-Tag am 15.10.2016 in Frankfurt am Main.
http://www.gestalt-institut-frankfurt.de/gestalt-institut/gif-tag-2016/
Es gibt Vorträge, Workshops, Lesung, Musik und ein Großgruppen-Experiment und - wer dann weiter machen möchte - abends einen Tagesausklang mit Plauschen, Lauschen und Essen. Kommen kann jede/r.
Um Anmeldung wird gebeten.
Das Thema lautet "Ich, das Fremde und die Aggression". Dazu ist zu sagen: Bei Laura Perls ist Aggression etwas Positives. Wunderbar nachzulesen im Kapitel "Erziehung zum Frieden" in ihrem Buch
"Leben an der Grenze."
Ein Film über Laura Perls
An dieser Stelle auch ein paar kurze Anmerkungen zum Dokumentarfilm über Laura Perls "An der Grenze". Die drei Fragen selbigen Freundes beantwortet dieser Film nicht:
Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Dieser Film ist eine Sammlung von altem Filmmaterial gemischt mit einigen Interviews und es geht - eben - um die Person Laura Perls. Er hat etwas von einem
alten Familienalbum und ist ebenso subjektiv. Einen Überblick über Gestalt und wohin sich Gestalt bis heute entwickelt hat und welches Potential darin liegen kann, vermittelt dieser Film in
meinen Augen nicht. Aber das ist vielleicht auch gar nicht seine Absicht.
In zwölf Tagen beginnt in Pforzheim die Jahrestagung der Deutschen Vereinigung für Gestalttherapie - http://www.dvg-tagung2016.de/. Kein Seminar in unserer Gestaltausbildung, aber sicher ebenso inspirierend.
Christa Weßel - Sonntag, 24. April 2016
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