Die Bachelorarbeiten dieses Winters
Vorgestern war es wieder soweit: Abschlussreflexionstreffen zu den Bachelorarbeiten dieses Winters. Teilnehmer: die Studierenden, ihre Praxisbetreuer und ich als die wissenschaftliche
Betreuerin.
Die Praxisbetreuer sind im Unternehmen, in dem die Studierenden im dualen Bachelorstudiengang Wirtschaftsinformatik arbeiten, diejenigen, die mit den Studierenden das Thema der Bachelorarbeit
eingrenzen und den praktischen Bezug und Nutzen für das Unternehmen im Auge haben.
Die Themen
In diesem Winter ging es in den drei Arbeiten
um QR-Codes, Produktkataloge und digitale Kunden. Einer der Praxisbetreuer hat es vorgestern sehr schön auf den Punkt gebracht:
Unser Auftrag ist die praktische Ausbildung unserer Azubis und der Auftrag der Hochschule ist die wissenschaftliche Ausbildung, die sich in der Bachelorarbeit niederschlägt. Wenn wir mit den
Azubis - Sie nennen sie Studierende - das Thema entwickeln, haben wir natürlich ein bestimmtes Ziel vor Augen. Dann kommt etwas Neues, Unerwartetes, Interessantes, und das müssen wir dann wieder
in unseren Alltag übersetzen.
Das Neue in diesem Fall war, dass der Student eine so nicht erwartete Lösung für ein Problem gefunden hatte. So etwas erhofft sich jeder, der qualitative Forschungsmethoden anwendet - in diesem
Fall waren es Interviews.
Da es sich um Arbeiten im Fach Wirtschaftsinformatik aus der Perspektive Consulting handelte, haben die Autoren, die Studierenden, wie es in einem guten Bericht zu einem Beratungsprojekt Standard
ist, Empfehlungen aus den Erkenntnissen ihrer Arbeiten entwickelt.
In allen drei Arbeiten sind es ein bis zwei Seiten, die die Verantwortlichen im Unternehmen für ihre weitere Arbeit unmittelbar anwenden können. Das Übersetzen in den Alltag nehmen ihnen die
Autoren damit fast ab.
Dies zum Inhalt und der praktischen Bedeutung der Bachelorarbeiten. Wieder - wie vor ungefähr einem Jahr - betrachteten wir den Arbeitsaufwand, die Qualität der Zusammenarbeit und den Nutzen für
die Beteiligten und fanden heraus, was wir mittel- und langfristig verbessern wollen.
Das Setting
Johann Schneider beschreibt in seinem Buch "Supervision" sehr gut, was bei der Gestaltung von Arbeitsbeziehungen und -verträgen zu beachten ist. In der Regel ist es ein dreiseitiges Vertragsverhältnis: Klient, Supervisor und Auftraggeber (siehe Blog vom 21.02.2016)
Auch für den Bachelorarbeiten sind es drei, eigentlich sogar vier Seiten: Student, Dozent, Hochschule und als vierter im Bunde das Unternehmen, in dem die Studierenden ihre Ausbildung machen.
Die Studierenden und ich haben in unserem letzten Treffen vor Abgabe der Arbeiten diese Beziehungen untersucht, um die Leistungen aller Beteiligten, insbesondere auch der Studierenden zu
würdigen. Wir haben uns dabei auf das Dreieck Student - Dozent - Hochschule konzentriert.
Arbeitsaufwand und Motivation
Die Studierenden sollen laut Prüfungsordnung der Hochschule jeweils mindestens 360 Stunden für die Anfertigung ihrer Bachelorarbeit aufwenden. Dies haben sie nach ihren eigenen Einschätzungen ungefähr so erfüllt - "Gefühlt war es noch viel mehr."
Meine Begleitung inklusive Gutachten und dieser Reflexion liegt bei gut 80 Stunden. Im Blog vom 05.03.2015 habe ich meine Motivation und meine Vorgehensweise erläutert.
Natürlich ist es für alle Beteiligten, für die Studierenden und mich, ein straffes Programm. Darum haben wir eine Präambel mit Regeln, Rechten, Aufgaben und Pflichten aller Beteiligten, die in
unserem virtuellen Kursraum hinterlegt ist. Sie können den ungefähren Inhalt auch im Blog vom 06.12.2014 nachlesen.
Der Arbeitsprozess
Aufgabe der Studierenden ist die Anfertigung einer Bachelorarbeit.
Meine Aufgabe als Begleiterin der Studierenden in ihrer wissenschaftlichen Arbeit besteht zum einen darin, sie im Erlernen und Anwenden wissenschaftlicher Methoden zu unterstützen - eine Lehrende
öffnet Türen, durchgehen, also lernen, müssen die Studierenden selbst.
Außerdem bin ich auch Lektorin: Wo können, sollten oder müssen die Studierenden ihre Texte verbessern und wie können sie das tun? Die Studierenden, die ich begleite, wissen aus den Vorgesprächen
und unseren regelmäßigen Treffen im Verlauf der Arbeit, dass meine Kommentare Empfehlungen sind. Der Autor entscheidet, ob er einer Empfehlung folgt oder nicht. Solange ein Autor nicht auf eine
Empfehlung reagiert, wiederhole ich sie im nächsten Durchgang. Er kann ja auch einfach nein sagen. Er sollte seine Ablehnung allerdings begründen. Die Kommentare der Lektorin müssen stets im
Kontext, also in unserer Präambel, dem Arbeitsstil der Einzelnen und der Gruppe und unseren Gesprächen betrachtet werden.
Das wissen die Studierenden, das weiß die wissenschaftliche Betreuerin. Das wissen nicht unbedingt die Praxisbetreuer und wundern sich, warum ihr Azubi nicht so sehr seinen, sondern den
Empfehlungen der Wissenschaftlerin folgt.
Antwort der Studierenden: sie folgen dem, der die Note vergibt. Es besteht also Gesprächsbedarf, damit die Studierenden nicht in ein Dilemma geraten und sich als Diener zweier Herren sehen.
Wir greifen also zum Äußersten: Wissenschaftliche Betreuerin, Student und Praxisbetreuer reden miteinander. Zu Beginn der Arbeit und auch im Verlauf, wenn Unklarheiten entstehen.
Um dies zu ermöglichen und den Bezug zwischen Wissenschaft und Praxis herzustellen, sollen im nächsten Durchlauf im ersten Treffen in Woche 6 des Projektplans auch die Praxisbetreuer teilnehmen
(siehe Blog vom 05.03.2015)
Dann will ich wieder eine Skizze zum Setting anfertigen (siehe oben), diesmal mit vier Seiten: Student, Dozent, Hochschule und Unternehmen.
Worüber ich mich besonders gefreut habe: Auch wenn in der nächsten Gruppe Studierende anderer Firmen dabei sind, können wir uns wieder in den Räumen dieser IT-Firma in Frankfurt am Main treffen.
Mit diesen persönlichen Treffen steht und fällt die gute Zusammenarbeit der Gruppe. Denn allein der Austausch auf der eLearning-Plattform ist nicht genug.
Die Leistungen der Studierenden
Wieder - wie auch schon in den vergangenen Jahren - waren auch diese drei Studenten sehr motiviert, aufgeschlossen und fit. Sie haben sich gegenseitig sehr gut unterstützt und ich habe viel von ihnen gelernt.
Dass es so gut lief, legt in meinen Augen daran, dass die Studierenden und ich uns untereinander schon kennen - und zwar aus dem ersten Teil des zweisemestrigen Seminars Consulting. Ebenso wie die Studierenden mich als Betreuerin auswählen, wähle auch ich sie aus. Fachlich und auf der Beziehungsebene muss es stimmen, sonst können wir nicht
in dieser Dichte und Qualität zusammenarbeiten.
Die Leistungen der wissenschaftlichen Betreuerin
Dazu würde ich Ihnen gerne die Forschungstagebücher der Studierenden vorlegen, aber das ist ihre Privatangelegenheit. Die Tagebücher entstanden aus Zufall. Ich hatte die Studierenden gebeten,
kurz zu den Zwischenabgaben zu schreiben, was sie bis dahin gemacht haben, wo ihre Probleme liegen und was sie als nächstes vorhaben.
Die erste dieser Reflexionen war bei allen dreien so gut, dass ich sie bat, das als Forschungstagebuch fortzusetzen. Ich konnte sehr schnell sehen, wo die Studierenden in ihrer Arbeit standen,
was sie von mir noch brauchten und wie es ihnen geht. Ihr Leben bestand auch in diesem Winter aus mehr als Studieren - zum Glück.
Die Studierenden haben sehr offen beschrieben und auch in unseren Gesprächen gesagt, was ich gut gemacht habe und was ich noch verbessern sollte. Insgesamt, so ihr Feedback, waren sie sehr
zufrieden: anspruchsvoll, manchmal hart, sehr viel gelernt und Freude gehabt.
Ausblick
Und dann kam von einem der Praxisbetreuer die Zauberfrage: Was wünschen wir uns?
Er möchte besser verstehen und sehen können, wer an der Hochschule was macht, damit er seine Azubis besser unterstützen kann. Beispielsweise, weil er dem Azubi sagen: "In diesem Thema ist Dozent
X sehr fit." Er möchte auch wissen, was die Studierenden im Verlauf erarbeiten. Dazu fiel ganz schnell das Stichwort Portfolio, das ja nicht nur für eine einzelne Seminar sondern sehr wohl für
ein ganzes Studium geeignet ist (Blog vom 22.04.2015).
Wir haben dazu überlegt, wie sich diese Wünsche mit Werkzeugen aus der IT und der Organisationsentwicklung umsetzen lassen und was wir dafür tun könnten. Die Technik ist nicht das Problem.
Dies war auch die Meinung der Studierenden, die gleich überlegten, wie das zum machen sei. Wichtig ist, die Beteiligten müssen es wollen.
Nach meinen Wünschen gefragt, antwortete ich: Diese Form der Begleitung von Abschlussarbeiten zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Mit Dozenten, die Lust darauf haben und es können, weil
sie es gelernt haben. Mit angemessenen Honoraren - dann sind mehr als nur drei pro Winter möglich (siehe Blog vom 05.03.2015).
Und das Thema wissenschaftliches Arbeiten und die Anwendung qualitativer Methoden - sprich fundiert Fragen stellen und zuhören können - sowohl im Studium als auch in der lebenslangen
Weiterbildung verankern.
Christa Weßel - Freitag, 4. März 2016
Die hier erwähnten Blogs
21.02.2016 Encounters 2 | Drei inspirierende Bücher
22.04.2015 Portfolio als Leistungsnachweis im Fach Consulting | "Sie sind die A-User ..."
05.03.2015 Bachelorarbeiten betreuen digital und analog ...
06.12.2014 cwstudents | Als freiberuflicher Dozent "nebenbei"
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