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Vom Loslassen und neu Finden

... Großes Kino

Meer am Abend

Großes Kino erzählt Geschichten, die uns sehr viel vermitteln. Nicht nur Unterhaltung sondern auch Sachthemen wie Leadership, Gruppendynamik, Teamentwicklung und vieles mehr.

In "Saiten des Lebens" geht es um ein Streichquartett, "The Fugue". Daniel, erste Geige. Robert, zweite Geige. Juliette, Viola. Peter, Cello. Daniel hat kurz vor seinem Abschluss an der Universität das Quartett gegründet. Zuerst hat er seinen Lehrer, Peter, gewonnen, der also zwanzig Jahre älter ist als die anderen im Quartett. Dann folgte Juliette, die bei Peter und dessen Frau lebte. Und schließlich kam Robert hinzu, der eigentlich ganz andere Pläne hatte. Er wollte Komposition studieren und fing für das Quartett Feuer auch wegen Juliette, die er später heiratete.

Im "outer space" dieser Gruppe gibt es noch die Tochter von Juliette und Robert, des weiteren eine Joggingbekannte von Robert und die verstorbene Frau von Peter.

Dieser Film heißt im Original "The late quartet". Zum einen geht es um das letzte der späten Streichquartette von Ludwig van Beethoven: Opus 131 Streichquartett Nr. 14 in cis-Moll von 1826, also einem Jahr vor Beethovens Tod. Zum anderen bedeutet "late" auch spät und kürzlich verstorben.

Genau damit kämpft diese Gruppe. Es geht um das Überleben des Quartetts. Peter kündigt an, wegen einer schweren Erkrankung das Quartett zu verlassen und nur noch das Eröffnungskonzert der anstehenden Saison bestreiten zu wollen. Es soll sein Abschiedskonzert werden.

Und nun passiert das, was Sie bei Tuckmann über Phasen der Gruppendynamik nachlesen können: Kennlernen, Kämpfen, Regeln finden, Umsetzen und Loslassen.

Ein Mitglied verlässt die Gruppe und alles geht von vorne los (das passiert auch, wenn jemand neu hinzu kommt). Die Menschen in der Gruppe lernen einander neu kennen. Es tauchen Wünsche und Gefühle auf, von denen bisher nicht deutlich die Rede war.

Sie kämpfen miteinander um Macht, Beziehungen und ihre Karriere. Sie werfen einander ihre Fehler vor. Sie finden neue Regeln und sie kommen auch dahin, wieder zu spielen, also in die Umsetzung. Ich verrate bestimmt nicht zu viel, wenn ich erzähle, dass die letzten Minuten des Films der Phase des Loslassen, des Abschieds und des Neubeginns gewidmet sind.

Es sind auch alle Rollen vertreten, die Raoul Schindler beschrieben hat. Das Alpha, der Leitende. Das Omega, der Rebell. Das Beta, der Experte und Beratende und noch ein Beta. Gammas, die Arbeitstiere, sind sie alle.

Ich möchte Sie einladen, sich diesen Film anzuschauen. Zuerst einmal, ihn einfach zu genießen. Und dann auch, vielleicht erst beim zweiten Mal, zu schauen: Wer ist wer? Wo, in welcher Phase befinden sich die Akteure gerade? Was tun sie? Was bewegt sie? Wie ändern sich ihre Einstellungen, Beziehungen und Entscheidungen? Wie fühlen sie sich in ihren verschiedenen Phasen? Denn neben den gruppendynamischen Phasen durchläuft auch jede und jeder seine ganz persönliche Geschichte.

Menschen lernen durch Geschichten und bilden Identitäten, seit es Menschen gibt. Geschichten sind die älteste Form der Überlieferung. Darum ist es mir eine große Freude, wenn ich wieder einmal einen Film finde, der auf eine so schöne Art Themen vermittelt, die Studierenden, Klienten und mir in unserer Zusammenarbeit begegnen.

Christa Weßel - Donnerstag, 28. Januar 2016

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