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Lehren lernen

Was Coaches darüber wissen wollen

Segelschule

Eine Gruppe von Coaches, die gemeinsam ihre Ausbildung gemacht haben, treffen sich seit dreizehn Jahren für drei Tage im Juni in der Tagungsstätte Thomashof bei Karlsruhe, um gemeinsam über das vergangene Jahr in ihrer  Beratungs- und Coachingpraxis zu reflektieren und einander interkollegial zu beraten. Am zweiten Tag findet ein Seminar statt, zu dem sie einen externen Dozenten und auch externe Teilnehmer einladen.

2014 war ich als Dozentin zum Thema "Lebenslanges Lernen und die Chance Generation Y" im Thomashof. Mehrere Kolleginnen und Kollegen schnitten in den Pausen gestern das Thema "Lehren lernen" an. Sie unterrichten an Akademien, Hochschulen oder Universitäten und geben auch Workshops und Seminare in Unternehmen.

Die Dokumentation vom Seminar 2014 hatte einige Literatur und Links enthalten. Sie sei sehr hilfreich für ihre Arbeit, aber sie wollen mehr wissen - denn: jeder Kontext des Lernens und Lehrens ist etwas Besonderes. Es gibt einige grundsätzliche Schritte im Lehren, die wir besprochen haben.

Da es noch ein wenig dauern wird, bis das Buch fertig ist, fasse ich hier ein paar Punkte zusammen, über die wir gestern gesprochen haben. Im Buch wird es um Lernen, Lehren und die Freude an der Didaktik gehen. Dabei will ich drei Perspektiven einnehmen, die der Lernenden, der Lehrenden und Hochschule, Firma oder Institut. 

 

Wie mache ich gute Lehre?

Am Anfang steht das Lern_Ziel

Es ist im Prinzip sehr schlicht - und darum in meinen Augen einfach und gut. Wie im Projektmanagement geht der Lehrende vom Ziel aus: Was sollen die Lernenden am Ende der Lernveranstaltung können? Der Lehrende formuliert in Absprache mit der Institution in der er lehrt, Lernziele - beispielsweise mit Bloom's Taxonomy (Blog vom 11.02.2012). Manchmal gibt die Institution auch Lernziele vor.

 

Leistungsnachweise festlegen und transparent machen

Dann folgt die Beantwortung der Frage: Wie will ich dies überprüfen? Stichwort: Leistungsnachweise. Nicht nur die Institutionen, auch die Lernenden wollen wissen, wie fit sie geworden sind. Wichtig ist, den Lernenden zu Beginn, am besten zur Anmeldung zur Lernveranstaltung Inhalte, Lernziele und Leistungsnachweise inklusive (!) der Beurteilungskriterien vorzustellen. Die Lernenden müssen vor der Veranstaltung wissen, was auf sie zukommt. Die Seiten des Seminars Consulting beschreiben, wie ich dies handhabe. Vielleicht ist dies als Beispiel für Sie von Nutzen.

 

Den Unterricht darauf zuschneiden

Die Art der Leistungsnachweise hat Einfluss auf die Gestaltung der Lernveranstaltung: Die Arbeit an einer Seminararbeit, sei es in Kleingruppen oder als einzelne beginnt - in meinen Seminaren - am ersten Tag. Genauso ist es bei Portfolios. Schließt die Lernveranstaltung mit einer Klausur oder einer mündlichen Prüfung oder einem Vortrag, übe ich mit den Lernenden an jedem Seminartag. Die Studierenden bekommen Aufgaben, wie ein Quiz, einen Kurzvortrag, die Entwicklung einer Geschichte - zum Beispiel "Aus dem Tag einer Führungskraft" im Thema Leadership. Die Lerntechniken sollten dem "constructive alignment" nach Biggs folgen. Ziel ist es, Inhalte, Lernziele und  Leistungsnachweise in Einklang zu bringen (Blog vom 7.12.2013).

 

Didaktik mit dem Fisch: Das Aal-Prinzip

Wichtigster Grundsatz im Lernen und Lehren ist in meinen Augen "AAL - die Anderen arbeiten lassen". Die Lernenden sollen soviel wie möglich selbst erarbeiten. Der Lehrende ist Katalysator, Impulsgeber, Mentor, Coach und "Leitplanke" - er gibt die Route vor.

Dazu gibt es zahlreiche Methoden aus Didaktik, Organisationsentwicklung und Consulting. Darum finden Sie im [25.01.2018] Band 3 Werkzeuge der Buchreihe Elche fangen ... einige davon, wie 8+1 W - Fragen; Agile Methoden; Arbeiten im Raum; Arbeitsgruppen; Briefing - Action - Debriefing; Check-In/Check-Out; Dialog und Diskussion; Fishbowl; Kreativtechniken; Matrix, Portfolio und SWOT; Mindmaps; Narrative und Muster; Open Space; Pareto-Regel und ABC-Analyse (wichtig für das eigene Lernmanagement der Lernenden); Räume; Reflexion; Reviews und Qualitätszirkel; Schätzungen - Experten, Delphi und Co; Schreiben - Journaling und Co; Szenarien; Visualisieren; Web 2.0 und Social Media (für das blended learning); Workshop; World Café; Ziele, SMARTe.

 

Verankern in der Wirklichkeit: Fall-basiertes Lernen

"Die Anderen arbeiten lassen" basiert auf dem Konzept des kompetenzorientierten Lernens und nutzt das Arbeiten am konkreten Fall. Eine andere Bezeichnung für Fall-basiertes Lernen ist Problem-basiertes Lernen. Dieses PBL erfolgt zum Beispiel in der Medizin in sieben Schritten zu einem Fall. Das Material besteht aus eine kurzen Anamnese - Befragung - und körperlichen Befunden, die die Patientin oder der Patient zeigen. Ein Tutor begleitet und moderiert eine Gruppe von Studierenden. In der Regel sind es acht bis zehn Studierende.

Moderierte Arbeitsgruppe - Treffen 1
Schritt 1: Klärung von Begriffen und noch nicht verstandenen Konzepten (Dialog)
Schritt 2: Problembeschreibung (kurze Darstellung)
Schritt 3: Analyse + Hypothesengenerierung (Brainstorming)
Schritt 4: Ordnen der Hypothesen (Diskussion + Konsens)
Schritt 5: Lernziel-Formulierung (Diskussion + Konsens)
Eigenstudium - Zwischenzeit
Schritt 6: Recherche
Moderierte Arbeitsgruppe - Treffen 2
Schritt 7: Synthese, Schlussfolgerungen (bspw. in der Medizin: weiteres Vorgehen hinsichtlich Diagnostik und Therapie) und Überprüfung der neuen Erkenntnisse (Dialog)

Dies lässt sich auch sehr gut auf juristische Fragen übertragen. Die Law Schools in den USA, wie zum Beispiel Harvard haben vor mehr als hundert Jahren das Lernen und Lehren anhand konkreter Fälle etabliert.

Eine andere Möglichkeit, am Fall zu arbeiten, ist die Untersuchung von echten oder nachgestellten Situationen. Zum Beispiel lassen sich psychiatrische oder auch andere Fälle hervorragend mit Schauspielern umsetzen. Diese Fälle können als Film aufgezeichnet oder real den Lernenden vorgestellt werden. Bei Letzterem können die Lernenden selbst mit dem "Patienten" oder in der Beratung mit "Klienten" in Interaktion treten.

 

Drei Zauberfragen für die Konzeption

Bei der Konzeption der Inhalte sind drei Fragen zu beantworten:

  • Was ist das? Theoretische Hintergründe.
  • Wozu ist es gut? Ziele und Nutzen. Anwendungsgebiete und Beispiele.
  • Wie geht das? Vorgehen.

Beginnen sollten Sie - wo irgend möglich - mit einem Beispiel, einem Fall. Dann erst folgt die Theorie.

 

Durch und aus Geschichten lernen

Filme und auch Life-Ereignisse sollten die Studierenden anhand eines Fragenkatalogs untersuchen. Zum Beispiel bitte ich Studierende im Fach Consulting sich zu den Themen Auftragsgewinnung, Leadership, Teamentwicklung und Teamarbeit den Film "Inception" von Christopher Nolan zu einem bestimmten Termin anzusehen.

Was hat ein Science-Fiction-Hollywoodfilm mit Consulting zu tun?
Vielleicht schauen Sie sich den Film einmal an und beantworten sich anhand der ersten Stunde und der letzten zehn Minuten folgende Fragen:

Akquise: Wie kommt es zum Auftrag?
Vertragsverhandlung und –Abschluss: Wie verlaufen diese?
Wie bildet sich die Gruppe?
Wann und wie entsteht ein Team?
Welche Rollen und Aufgaben erkennen Sie?
Stakeholderanalyse: Wer ist beteiligt? Auch außerhalb des Teams.
Wie geht das Team mit dem Auftraggeber um? Auch der Teamleiter.
Wie geht der Auftraggeber mit dem Team um? Auch mit dem Teamleiter.
Wie erfolgt der Projektabschluss? Inhaltlich und emotional/sozial.
Und für die (Wirtschafts-)Informatiker unter Ihnen: Denken Sie auch über Agile Methoden nach, und die Eigenarten von Scrum Teams.

 

Das Leben ein Bühne ... Ein Skript für die Lernveranstaltung

Lernveranstaltungen brauchen wie ein Film oder ein Theaterstück ein gutes Skript, ein Drehbuch. Dies gilt für Veranstaltungen, die ein paar Stunden, einen oder mehrere Tage dauern, ebenso wie für Seminare, die sich über mehrere Wochen oder auch Semester erstrecken.

Wie für die Lernveranstaltung insgesamt gilt es, für jeden Tag Thema, Lernziele, Überprüfungen, Inhalte, Übungen und einen Zeitplan zu erstellen. Dieses Skript muss variabel sein und Zeitreserven enthalten. Die Lernenden bestimmen mit: vielleicht wollen sie ein Thema vertiefen.

In der Stofffülle ist zu beachten: Weniger ist mehr. Die Lernenden sollen vor allem Grundlagen lernen und in der Lage sein, sich mit dem Thema weiter auch außerhalb der Lernveranstaltung vertraut zu machen.

Es geht darum, sie neugierig zu machen und ihnen Material und Werkzeuge für das eigenständige Lernen an die Hand zu geben. Dazu ist das eLearning ein wichtiger und nicht mehr wegzudenkender Bestandteil.

Zu diesem Thema möchte ich Sie auf "Wie kann eine Hochschule Lehrende im Blended Learning unterstützen? Eine explorative Studie im Studiengang Wirtschaftsinformatik" verweisen (Weßel / Wolf 2012).


Und welche Aspekte des Coachings die hier vorgestellte Art des Lernens und Lehrens zeigt, können Sie in"Continued Multidisciplinary Project-Based Learning – Implementation in Health Informatics" (Weßel / Spreckelsen 2009) nachlesen. Der Zeitplan mit seinen Meilensteinen zur Betreuung der Abschlussarbeiten ist einem Coachingkonzept sehr nahe.

 

Fazit: Commitment

Das Commitment, also die Selbstverpflichtung zur aktiven Teilnahme können Sie bei Lernenden wecken, indem Sie in der Anfangsphase der gemeinsamen Vereinbarung zu den Lernzielen und Inhalten genügend Zeit und Raum geben. Die Lernenden und Sie sind eine Gruppe, vielleicht werden Sie sogar zum Team. Also liegt es nahe, sowohl auf der Inhalts- als auch auf der sozialen und emotionalen Ebene mit den Phasen der Gruppendynamik zu arbeiten. Das Modell von Tuckman mit Formen, Klären, Regeln, Umsetzen, Loslassen (forming, storming, norming, performing and adjourning) finde ich hierzu äußerst nützlich (Blog vom 1.8.2012 oder auch Kapitel "Gruppendynamik" im Band 2 Menschen der Buchreihe Elche fangen ...).


Die Fortbildung gestern hatte das Thema "Provokativen Coaching mit Humor" teilgenommen. Jonathan Briefs war der inspirierende Dozent. Ich werde sicher Einiges davon auch im Lernen und Lehren anwenden.

Christa Weßel - Mittwoch, 17. Juni 2015

 

Quellen [eingefügt am 25.01.2018]

Blogrubrik Lernen & Lehren

 

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