Kurs halten
Seit dem ersten Blogeintrag zu diesem Thema vom 14.01.2015 und dann noch einmal verstärkt seit dem Blogeintrag vom 21.01.2015 gibt
es dazu sehr interessante Gespräche und Emails mit Lehrenden, Studierenden und Menschen aus der ganz normalen Arbeitswelt - hier vor allem mit Führungskräften.
Für letztere und auch für die meisten anderen ist Folgendes selbstverständlich: Studieren ist Arbeit. Das Verhältnis Studierende zur Hochschule (hier sind der Kürze halber auch Universitäten und
Duale Hochschulen gemeint) entspricht einem Arbeitsverhältnis. Die Hochschule nimmt die Rolle eines Arbeitgebers und die damit einher gehenden Rechte und Pflichten ein. Die Studierenden haben als
"Arbeitnehmer" entsprechende Rechte und Pflichten.
Wie verhalten sich nun Krankheit und Prüfungen zueinander?
Prüfungen sind ein Teil der Arbeitsleistung von Studierenden. Diese Arbeit können sie im Falle einer Arbeitsunfähigkeit nicht erbringen. Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit stellt der behandelnde
Arzt (hiermit sind stets auch Frauen gemeint) eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - kurz AU - aus. Dies ist der sogenannte "gelbe Zettel".
In besonderen Fällen ist ein ärztliches Attest erforderlich. Dazu zählen auch Prüfungen, wenn die Studierenden diese zu einem definierten Zeitpunkt ablegen müssen und eine Terminverschiebung
nicht ohne weiteres möglich ist.
Wie ich am 14.01.2015
bereits mit Beispielen ausgeführt habe, erfordert die Bescheinigung einer Prüfungsunfähigkeit durch ein ärztliches Attest NICHT die Angabe von Symptomen oder gar einer Diagnose.
Auch die Aussage von Hochschulangehörigen, dass nur Prüfungskommissionen und -Ämter die Prüfungsfähigkeit beurteilen können, ist - Originalton eines ärztlichen Kollegen - "blanker Unsinn. Welche
Hybris hat die denn geritten? Wissen die nicht, was ärztliche Kompetenz und Schweigepflicht sind?" (Hybris: griechisch - Übermut, Anmaßung)
Es gibt Prüfungen, die an einem oder wenigen Tagen stattfinden: schriftliche und mündliche Prüfungen. Außerdem gibt es Prüfungsleistungen, die sich über einen definierten Zeitraum von mehreren
Monaten erstrecken: der Zeitraum beginnt mit dem Datum der Anmeldung und endet mit dem Termin der Abgabe. Zu solchen Prüfungsleistungen gehören vor allem Abschlussarbeiten wie Bachelor- und
Masterarbeiten.
Bei ein- oder mehrtägigen Prüfungen kann schon eine schwere Erkältung die Prüfung unmöglich machen. Bei Abschlussarbeiten sieht das anders aus. Lassen Sie uns von einem Zeitraum von drei Monaten
ausgehen. Was meinen Sie, ab wann ist die rechtzeitige Abgabe gefährdet? Wie lange muss die oder der Studierende arbeitsunfähig sein? Zwei Wochen? Drei? Vier?
Welche Erkrankungen können Studierende in ihrer Abschlussarbeit arbeitsunfähig machen?
Bei zwei Wochen plus plus gehören dazu Erkrankungen wie
- schwere Infektionen
- Neoplasien (Krebs)
- Stoffwechsel- und Autoimmunerkrankungen (Rheuma, Nieren, Schilddrüse, ...)
- AIDS
- vorzeitige Wehen in der Schwangerschaft (glauben Sie mir: im Liegen schreiben Sie keine Abschlussarbeit, da geht es um Ihr Baby)
- psychische Erkrankungen
- Unfälle mit Verletzungen
Welche dieser Erkrankungen möchten Sie mit Ihrem Arbeitgeber diskutieren?
Sie können es sich aussuchen. Die Antwort einiger Führungskräfte und ärztlicher Kollegen lautete: keine. Krank ist krank.
Lehrende und Studierende waren da schon etwas anders: Na ja, also wenn das unter uns bleibt, und wir haben ja eigentlich ein gutes Verhältnis.
Bleibt aber nicht "unter uns". Symptome und Diagnosen in ärztlichen Attesten werden aktenkundig. Wollen Sie das?
(Im Folgenden spreche ich in der Einzahl von "der Studierende", dabei sind Frauen und Männer gemeint.)
Welches Vorgehen halten Sie für sinnvoll?
Diese Frage stellte ich Führungskräften und ärztlichen Kollegen. Tenor:
Sobald der Studierende erkennt, dass die Erkrankung zu einem Ausfall von mehr als zwei Wochen führen kann, bespricht er dies mit seinem behandelnden Arzt und lässt sich ein ärztliches Attest OHNE Symptome oder gar Diagnosen ausstellen.
- Dieses reicht der Studierende bei der Hochschule genauso ein, wie er es für eine AU ("gelber Zettel") machen würde.
- Außerdem bespricht er dies mit dem für diese Abschlussarbeit verantwortlichen Professor, dem wissenschaftlichen Betreuer (wenn dies nicht der Professor ist) und - im Falle einer Dualen Hochschule - mit dem sogenannten Praxisbetreuer. Dies ist ein Mitarbeiter der Firma, in der der Studierende seine praktische Ausbildung macht. Die Firma zahlt in der Regel auch die Studiengebühren für den Studierenden. Hier liegt also ein Arbeitsverhältnis mit drei Parteien vor.
- Transparenz in der organisatorischen Kommunikation (bspw.: Emails zwischen den drei oder vier Beteiligten an alle - nicht "der hat jetzt aber geschrieben").
- Es darf keinerlei Druck ausgeübt werden.
- Die Beteiligten sollten eine längere Erkrankung nicht bagatellisieren.
- Alle Beteiligten müssen die Schweigepflicht und die Kompetenz des Arztes respektieren und damit die Privatsphäre des Studierenden.
- Wichtig ist ein klares, zeitnahes und eindeutiges Vorgehen des Studierenden: Er muss mit seinen Kräften haushalten.
Und was sollen Studierende machen ...
... von denen die Hochschule ein Attest mit Symptomen haben will und dem Studierenden die Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht in einem Formular gleich mit auf den Weg gibt?
Antwort einer Führungskraft, der ich mich uneingeschränkt anschließe:
Ignorieren. Das ärztliche Attest ohne Symptome und Diagnose bei der Hochschule einreichen, sobald ich von der längeren Dauer meiner Erkrankung weiß. Und dann abwarten: Wenn die Hochschule auf
Symptomen und Diagnosen besteht, eine Begründung einfordern - gegebenenfalls sogar mit rechtlichem Beistand - denn:
Diese Studierenden sind krank. Das bedeutet: sie sind arbeitsunfähig und somit auch nicht fit für einen Konflikt mit ihrer Hochschule. Sie fürchten um den erfolgreichen Abschluss ihres Studiums.
Die Hochschule darf sie nicht unter Druck setzen. Die Hochschule, das sind die Mitarbeiter dieser Hochschule, ihre Kommissionen, ihre Lehrenden, ihre Verwaltungsmitarbeiter.
Anzunehmen, dass Studierende sich ein Attest ausstellen lassen, weil sie einfach keine Lust auf eine Prüfung haben, mehr Zeit herausschinden wollen oder zu faul sind, ist ein Misstrauen, das
einer guten Lern- und Lehratmosphäre abträglich ist.
Fazit
Christa Weßel - Samstag, 31. Januar 2015
Blogrubrik Lernen & Lehren
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