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Autor sein

Was bedeutet das für dich?

Diese Frage ist in den letzten Wochen immer wieder Thema in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen aus Lehre, Forschung und auch Beratung. Ein paar Freunde, die zum Teil auch Kollegen sind, lesen und lektorieren derzeit mein zweites Buch zum Thema Consulting - Elch2 heißt er in unserem internen Jargon [07.01.2018: mittlerweile erschienen als Band 4 Entdecken der Buchreihe Elche fangen ...]. Nach diesem Lektorat werden die Arbeiten zur Publikation losgehen.

Schreiben ist Denken, Reflektieren, Bewahren und eröffnet den Dialog mit anderen. Schreiben ist (manchmal harte) Arbeit und macht sehr viel Freude. William Zinsser hat das in seinem Buch "Schreiben wie ein Schriftsteller" wunderbar geschildert [1].

Doch Autoren sollten von ihrer Arbeit zu einem mehr oder weniger großen Anteil leben können. Wie schaffen Autoren den Spagat zwischen Teilen und Geld verdienen?

Für mich hat sich seit fast zwanzig Jahren - so lange publiziere ich in der einen oder anderen Form - folgender Dreischritt als sehr solide erwiesen:

Erstens) schreibe ich für mich: ich reflektiere über Gesehenes, Gehörtes, Erlebtes, Gelerntes. Ich ordne, setze es mit meinen eigenen Erfahrungen und Wissen in Bezug, und lasse es in meine Arbeit einfließen.

Zweitens) schreibe ich für die Menschen, mit denen ich arbeite: ich dokumentiere unsere Arbeit und füge meine Reflexionen hinzu (siehe "erstens").  Wir können den Text für unseren Dialog und weitere gemeinsame Arbeiten nutzen. In Beratungsprojekten und Seminaren ist dies Teil der Leistungen, die mit dem Honorar vergütet werden (es sei denn, ich stelle einer Gruppe meinen Text gratis zum Lesen, Lernen und den Dialog zur Verfügung).

Drittens) schreibe ich für die Öffentlichkeit, ich publiziere: "Wissen ist die einzige Ressource die sich durch Teilen vermehrt" (unbekannt). Ich muss und will mich mit meinen Arbeiten dem Urteil, den Fragen und Anregungen anderer Menschen stellen. Außerdem können sie Material und Ideen für ihre Arbeit bekommen, genauso wie ich von anderen lerne.

Publikationen sind nur dann möglich sind, wenn die Menschen einverstanden sind, mit denen ich an einem Thema gearbeitet habe, sei es in einem Forschungsprojekt oder während Interviews und Recherchen zu einem Buch oder in Seminaren und Workshops. Schön ist es, wenn ich mit ihnen zusammen publizieren kann, sei es an einer Universität oder Hochschule oder als freie Autoren.

Ich freue mich, dass viele Menschen schreiben und publizieren, ohne unmittelbar finanziellen Profit im Auge zu haben. Die vielen offenen Seminare, Kurse, Blogs und anderen Veröffentlichungen im Internet zeigen dies. Wie viel Arbeit darin steckt, lässt der Artikel von Naumann und Kollegen ahnen [2]. Allerdings wurden diese drei von ihrem Institut bezahlt. Andere arbeiten an offenen Seminaren, ohne dafür bezahlt zu werden. Zum Teil nutzen sie es als Marketing-Instrument.

Wer schreibt der bleibt ... im Geschäft. Menschen gehen zu Seminaren, zu Coaches und zu Beratern, wenn sie etwas von ihnen gelesen haben. Das können und sollten Blogs, Artikel und gerade auch Bücher sein.

Zahlreiche erfolgreiche Sachbuchautoren aus Wissenschaft und - wie zum Beispiel Tom DeMarco [3] - aus der Beratung zeigen, wie sie ihre Konzepte mit der Öffentlichkeit teilen und damit auch die Möglichkeit nutzen, sich mit Fachkollegen auszutauschen, die auf gleichem oder höherem Niveau arbeiten.

Kein Artikel und kein Buch kann ein Seminar, ein Coaching, eine Beratung oder auch einen Vortrag ersetzen. Aber die Leser werden neugierig, und sie kommen.

Everett Rogers hat es in seinem Grundsatzwerk "Diffusion of Innovation" beschrieben [4] - wieso gibt es das nach 52 Jahren (1. Auflage 1962) und der mittlerweile fünften Auflage (2003) und als eines der meistzitierten Soziologiebücher immer noch nicht auf Deutsch?

Raus aus der - vermeintlichen - Exklusivität. Rein in die in diesem Fall sehr schöne Welt der Digital Natives, des Web 2.0 und des Teilens.

Wie steht es dabei um den Spagat zwischen Teilen und mit dem Schreiben Geld verdienen? Im Blog und manchmal in Dokumentationen teile ich gratis. Das Geld kommt über Honorare für Beratungen, Seminare und Coaching und ihre Dokumentationen hinein. Außerdem sind da noch die Autorenhonorare für Artikel und Bücher.

Für's Protokoll: Die Welt des Teilens, der Netzwerke, der Beratung, des Coaching und der Mitarbeiterentwicklung ist schon alt. Richard Sennett's "Together" ist dazu empfehlenswert [5].

"Und, wann kommst du mit deinem ersten Mammut?" (Fiktives Mitarbeitergespräch eines urzeitlichen Stammesführers mit einem jungen Krieger)

 

[1] Zinsser W. Schreiben wie ein Schriftsteller. Fach- und Sachbuch, Biografie, Reisebericht, Kritik, Business, Wissenschaft und Technik. Berlin, Autorenhaus-Verlag 2002.
[2] Naumann F, Jenders M, Papenbrock T. Ein Datenbankkurs mit 6000 Teilnehmern. Informatik Spektrum 2014; 37 (4): 333-340.
[3] DeMarco T, Lister T. Peopleware. Productive Projects and Teams. Third Edition. Boston, Addison-Wesley Education Publishers 2013. (deutsch: "Wien wartet auf Dich!: Produktive Projekte und Teams").
[4] Rogers EM. Diffusion of innovations (5th ed.). New York: Free Press 2003.
[5] Sennett R. Together. The Rituals, Pleasures and Politics of Cooperation. New Haven & London, Yale University Press 2012 (deutsch: "Zusammenarbeit. Was unsere Gesellschaft zusammenhält").

 

Christa Weßel - Samstag, 2. August 2014

 

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