... Akademisierung nicht-ärztlicher Berufe
Die medizinische, pflegerische und therapeutische Versorgung der Menschen ist eine Aufgabe, die von weit mehr als den zwei klassischen Berufsgruppen Arzt und Pflege erbracht wird. Im Englischen gibt es für diese große Gruppe aus Medizinern, Pflegenden, Physio-, Ergo- und Logotherapeuten, Psychologen, Sozialarbeitern, Technischen Assistenten und - im weiteren Sinne Experten aus Informatik, Technik und Administration den schönen Begriff "Health Care Professionals". Und damit geht die Debatte los: Wer ist Professional? Was ist Professional?
Professional oder Profession wird oftmals damit gleichgesetzt, dass eine Ausbildung einen akademischen Abschluss beinhaltet. Im deutschen Sprachraum hat sich unter anderem daraus und aus Vorbildern insbesondere aus dem angloamerikanischen Raum der Ruf nach der Akademisierung der Pflege entwickelt.
Um den nicht immer leichten Umgang der Berufsgruppen miteinander geht es schon im "Doctor-Nurse-Game" (Teil I; Teil II). Der Bedarf und auch Wunsch vieler Beteiligter nach einer Kooperation auf Augenhöhe führt zu der Frage, wie können und sollten sich die nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe durch ihre Aus- und Weiterbildung in der Versorgung der Patienten positionieren?
Ausbildungen in Deutschland sind in weiten Bereichen durch das Duale System geprägt. Sie bestehen aus Berufsschule, bwz. Hochschule einerseits und Arbeit und Ausbildung in der Praxis andererseits. Dieses Modell ist seit einigen Jahren ein Exportschlager, der internationales Interesse bis hin nach China geweckt hat.
Was liegt also näher als die nichtärztlichen Professionen durch ein Duales Studium zu qualifizieren? Hierzu gab es gestern an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mannheim einen Tag der Gesundheitswissenschaften mit Lehrenden, Studierenden und zahlreichen Vertretern der Kooperationspartner. Dazu zählten auch Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Seit einiger Zeit führt die DHBW Mannheim den Studiengang Gesundheitsmanagement im Sinne von BWL-Gesundheit durch, so wie es zum Beispiel auch BWL-Bank gibt.
Nun geht es darum, auch für andere Berufsgruppen Studiengänge zu entwickeln und zu starten. Der nächste ist der Studiengang Angewandte Gesundheitswissenschaften. Weitere Ideen richten sich auf die Bereiche Interprofessionelle Gesundheitsversorgung, eHealth, Medizintechnik und Krankenhaustechnik.
Eine große Herausforderung ist dabei, wie die Kooperationspartner aus dem Gesundheitswesen und die Hochschule ein Duales Studium für Pflegende und Therapeutische Berufe gewährleisten können. Pflege schließt in Deutschland mit einem Staatsexamen. Das Niveau der deutschen Ausbildung in der Kombination Krankenpflegeschule und praktischer Einsatz in der Krankenpflege ist hoch. Zahlreiche Studien und die Erfahrung der letzten zehn Jahre zeigen, dass der Weg, für den sich die DHBW Mannheim und ihre Kooperationspartner entschieden haben, ein solider und guter Weg ist.
Die Ausbildung und das Studium umfassen zusammen vier Jahre. Im ersten Jahr beginnen die Auszubildenden/Studierenden klassisch als Krankenpflegeschüler. Im zweiten Jahr kommt das Studium hinzu. Ab diesem Zeitpunkt wechseln Praxis- und Theoriephasen im Umfang von circa 12 Wochen. Nach drei Jahren legen die Auszubildenden/Studierenden ihr Staatsexamen in der Pflege ab. Im vierten Jahr haben sie eine Teilzeitstelle in der Pflege von fünfzig Prozent, absolvieren die noch verbleibenden Theoriephasen, fertigen ihre Bachelorarbeit an und legen ihre Abschlussprüfung ab.
Nach vier Jahren sind sie also staatlich Examinierte Gesundheits- und Krankenpflegende und haben den Grad des Bachelor of Arts (BA) erlangt. Vorteil: sie haben Erfahrung in der Krankenpflege und sind im Krankenhausalltag eher akzeptiert als Studierende, die "nur" Pflege studiert haben (C. Schmollinger hat dazu in diesem Jahr eine sehr schöne Masterarbeit an der Hochschule Fulda im Studiengang Public Health vorgelegt).
Auf dem Tag der Gesundheitswissenschaften an der DHBW Mannheim war nicht mehr die Frage, ob Pflege und andere nicht-ärztliche Professionen im Gesundheitswesen akademisiert werden sollen, sondern wie und in welchem Umfang. Konsens bestand dazu, das es Vielfalt geben muss. Wir können nicht alle Manager werden. Es braucht Hilfsberufe, examinierte Kräfte und Professionals mit einem akademischen Abschluss. Für letztere schätzten die Experten einen Umfang von ungefähr zwanzig Prozent.
Es besteht für die nicht-ärztlichen Berufe ein Bedarf nach wissenschaftlicher Expertise und nach Managementfähigkeiten, mit dem Angehörige dieser Berufe eine aktive Rolle in unserer sich stetig verändernden und differenzierenden Gesellschaft und im Gesundheitswesen übernehmen können. Wir brauchen Akademiker nicht nur in der Medizin, der Ökonomie und der Informatik und Technik sondern auch in der Pflege und in den therapeutischen Berufen, wie Physio-, Logo- und Ergotherapie und technischen Assistenzberufen (Labor, Röntgen, OP, um nur drei zu nennen). Hieran arbeiten die DHBW Mannheim und ihre Kooperationspartner aus dem Gesundheitswesen. Die Entwicklungen der nächsten Jahre werden sehr spannend sein.
Aus Sicht der Organisationsentwicklung zeigt sich hier ein komplexes System, das sich stark verändert und zum Teil neu entwickelt. Es wird sehr interessant sein, diesen Veränderungsprozess langfristig zu beobachten. Wer ist beteiligt? Was wird aus den Menschen und Organisationen, die an diesem Prozess und an diesen Prozessen teilnehmen?
Quo vadis Gesundheitswesen? Wohin gehst du, Gesundheitswesen?
Christa Weßel - Fr, 18. Oktober 2013
Quelle [hinzugefügt am 03.01.2018]
- Schmollinger C. Vergleich der Pflegeaktivitäten von akademisch qualifizierten und examinierten Pflegekräften – Eine theoretische und empirische Annäherung. Masterarbeit im Studiengang Public Health. Fulda, Hochschule Fulda, Fachbereich Pflege und Gesundheit 2013.
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