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Krankenversicherungen

... Was haben sie mit OECD und WHO zu tun?

"Deutsche Krankenversicherungen im internationalen Vergleich" lautete das Thema meines Vortrags am 20.8. in Berlin. Schnell war mir in den Vorbereitungen klar geworden: "... funktioniert nur im Rahmen einer Gesundheitssystemanalyse". Es ist wie mit dem Ameisenbär und dem Elefanten.

 

Der Ameisenbär hat einen Rüssel, der Elefant hat auch einen Rüssel, lassen Sie uns also über Elefanten sprechen.

 

Gesundheitssystemvergleich

Teile eines Systems, hier des Gesundheitssystems, lassen sich nur verstehen, wenn bekannt ist, in welchem Kontext diese Teil agieren, und Kriterien und Kennzahlen zu Input und Output vorliegen: Finanzierung, Ressourcen, Ergebnisse.

 

Im Bereich Gesundheit bedeuten Ergebnisse nicht nur Ausgaben minus Einnahmen, sondern auch Kennzahlen zum Gesundheitszustand der Bevölkerung. Hierzu gibt es hervorragende Datenquellen unter anderem der WHO, der OECD, der EU, des Statischen Bundesamtes (DESTATIS) und der deutschen Gesundheitsberichterstattung (GBE). (Quellen und Links sind auf den letzten beiden Blättern der Präsentation zum Vortrag enthalten.) In ihrem Bericht "Health at a Glance" wählt die OECD folgende Kategorien:

  • Ausgaben und Finanzierung; Beispiele: Pro-Kopf-Ausgaben, Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP), Anteile der Beteiligten (Staat, Versicherungen, privat, ...), Ausgaben nach Leistungen (Dienstleistungen, Medikamente, Material, Geldleistungen)
  • Ressourcen und Aktivitäten; Beispiele: Anzahl von Ärzten, Pflegenden, Krankenhäusern und bestimmten Therapien
  • Gesundheitszustand; Beispiele: Lebenserwartung, Kindersterblichkeit, Verbreitung von bestimmten akuten und chronischen Erkrankungen.
  • Gesundheitsdeterminanten; Beispiele:  Übergewicht, Rauchen und Ernährungsgewohnheiten. Einen Bezug zum Bildungsstand stellen einige andere Berichterstattung her, beispielsweise in der GBE: es gibt Hinweise, dass eine bessere Bildung vor ungesunden Lebensgewohnheiten schützt.

Die OECD stellt, wie die WHO, das DESTATIS und die GBE dazu Tabellen zur Verfügung, mit deren Material der Nutzer selbst arbeiten kann. Der Report "Health at a Glance 2012" ist ein Muss und - in meinen Augen - ein Genuss für jeden Ökonomen und Gesundheitswissenschaftler, der oder die sich mit Daten, Zahlen und Fakten im Gesundheitswesen auseinandersetzen. Die WHO Berichterstattung bekommt es außerdem hin, Länderdaten weltweit zusammen zu tragen. Sie können das Ganze von Afghanistan bis Zimbabwe betrachten. Außerdem bietet die WHO Gruppierungen nach Regionen und Kontinenten, nach BIP in drei Stufen und nach Prokopfeinkommen in vier Stufen und einen globalen Überblick an.

 

Wie steht es nun um deutsche Krankenversicherungen im internationalen Vergleich?

Es gibt drei Finanzierungs- und Steuerungsmodelle in Gesundheitssystemen, das Sozialversicherungssystem, beispielsweise in Deutschland, das steuerlich finanzierte und staatlich gelenkte, beispielsweise im Vereinigten Königreich (UK) und den Markt wie in den USA.

 

Was ist was? Welches sind die Wurzeln, Motive, Gemeinsamkeiten, Unterschiede und vor allem: Was kommt dabei heraus?

 

Der ökonomische Erfolg einer Einrichtung im Gesundheitswesen sagt nicht unbedingt etwas über die Qualität der Betreuung (auch Versicherungen betreuen) oder Versorgung ihrer Klienten, Patienten oder - wie ich vor kurzem bei Schneider lesen konnte - Konsumenten.

 

Schrill. Konsumenten im Krankenhaus. Eine Vorstellung, die mir als Ärztin fremd ist. Als Coach von Managern kann ich mich dieser Sprache allerdings annähern. Muss ich, denn das ist unsere Plattform, auf der Klient und ich uns bewegen.

 

Was ist Gesundheit?

Im Vortrag haben wir uns die WHO-Definition von Gesundheit angesehen: vollständiges körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden. Überlegen Sie mal an einem Montagmorgen, ob Sie gesund sind.

 

Im Gesundheitssystem geht es um Förderung, Bewahrung und Wiederherstellung von Gesundheit, es geht um Prävention, Akutversorgung und Rehabilitation. Pflege, ambulant und stationär, nimmt beständig an Bedeutung zu. Im System beteiligt sind Mediziner, Pflegende, Therapeuten und viele weitere Berufsgruppen. Zu den Einrichtungen gehören sowohl Leistungserbringer, wie Krankenhäuser als auch eben Versicherungen. Vertreter von Interessensgruppen (Stakeholder) sind neben den genannten Berufsgruppen Patienten und ihre Angehörigen, Staat, Forschung, Lehre und viele andere.

 

Immer wieder erfreut bin ich, wenn wir uns auf drei statt nur ein Ziel einigen können. Natürlich will ein Unternehmen zunächst und vor allem einmal überleben. Ohne ökonomisch gesund zu sein, wird ein Unternehmen - Ausnahmen bestätigen die Regel - auf Dauer nicht existieren. Sowohl Peter Senge als auch Rüegg-Sturm beschreiben sehr gut, dass da noch mehr ist. Senge nennt es Product, People, Planet. Unternehmen sollten zum Ziel haben, sowohl gute Produkte und Dienstleistungen zu erbringen, als auch ihre soziale Verantwortung wahrnehmen und nachhaltig im Sinne einer ökologischen Gestaltung ihrer Arbeit handeln.

 

Es ist zu bedenken, dass Gesundheitssysteme auch stets einen historischen Hintergrund haben und gewachsen sind. So ist das ab 1883 von Bismarck eingeführte Deutsche Sozialversicherungssystem das Älteste weltweit und hat einige Stärken, beispielsweise einen Versicherungsschutz für 98 % der Bevölkerung, hohe Arztdichten, kurze Wartezeiten und eine gute Qualität der Leistungen (Prozessqualität) und der Ergebnisse (Gesundheit der Bevölkerung) – hier ist allerdings noch Luft nach oben.

 

Auch wenn andere Länder mit ihren Ausgaben in Bezug auf das BIP oder die Pro-Kopfausgaben niedriger liegen, so sollten wir uns vor einer Reformhysterie, wie wir sie seit dreißig Jahren erleben, hüten, und vermehrt auf den gesunden Menschenverstand und folgende Faktoren setzen ("j" steht für "ist vorhanden"):

  •   j   Risikostrukturausgleich (Versicherungen mit nicht so gesunden und damit teueren Mitgliedern oder geringeren Einkünften erhalten Unterstützung von anderen Versicherungen)
  • ((j)) Wettbewerb mit Anreizen, hohe Effizienz und Qualität zu erbringen
  •  (j)  Investitionen in Datensammlungen und Analysen zur Performanz der Leistungserbringer
  • ((j)) Patienten, die sich der Bedeutung der Qualität und der Preise von Leistungserbringern und Versicherern bewusst sind und frei wählen können und es auch tun
  • ((j)) Regierungen und Behörden, die in der Lage sind eine effektive Wettbewerbsstruktur sicher zustellen und negative Effekte vermeiden helfen

Über den Tellerrand schauen

Es gibt noch eine sehr unterhaltsame Möglichkeit zum Gesundheitssystemvergleich und zur Betrachtung von Finanzierungsmodellen auch und gerade in Zeiten des demographischen Wandels. Im Film "The Best Exotic Marigold Hotel" geht es um Menschen, die nicht in England sondern in Indien ihren Lebensabend verbringen wollen. Eine Dame ist dabei, die sich eine Hüftprothese einsetzen lassen will. Ein sehr charmanter, mit all seinem Humor auch zum Nachdenken anregender Film mit großartigen Schauspielern.

 

Christa Weßel - Do, 22. August 2013

 

Quellen ... [hinzugefügt am 02.01.2018]

 

Blogrubrik Wandel im Gesundheitswesen 

 

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