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"The Doctor-Nurse-Game" extended

... Wandel im Gesundheitswesen

Veränderung, Wandel bewusst, gezielt, strukturiert, geplant und flexibel zu gestalten, darum geht es in Organisationsentwicklung und Change Management. Wie können wir, die Beteiligten, dies im Gesundheitswesen umsetzen?

 

Diese Frage haben wir heute wieder an der Hochschule Fulda reflektiert (einen ersten Vortrag hatte ich hierzu im Herbst 2011 dort gehalten). Im sich anschließenden Dialog entwickelten wir einige Fragen und Antworten zu diesem Thema.

 

Das Gesundheitswesen gehört mit seinen 24 Stunden, 7 Tage in der Woche direkt am und mit dem Patienten erbrachten Leistungen zu den Dienstleistungen höchster Stufe. Interprofessionelle Zusammenarbeit, Fachkräftemangel und das Zusammenwachen von Informations- und Kommunikationstechnologie und Medizintechnik bedeuten Herausforderung und Chance. Organisationsentwicklung und Change Management können die Beteiligten in der erfolgreichen Umsetzung nachhaltig unterstützen.

 

Aus meinem Vortrag entwickelten wir, Studierende und Lehrende im Fachbereich Pflege und Gesundheit, Fragen und ein paar Antworten.

Thema 1: The Doctor-Nurse-Game

Das Gesundheitswesen setzt sich immer noch mit dem Doctor-Nurse-Game auseinander. Die beteiligten Berufsgruppen finden langsam und allmählich einen Zugang zur gemeinsamen Arbeit auf Augenhöhe. Es bleibt allerdings noch viel zu tun. Eine Professorin fragte:
Was geben wir Menschen, Frauen und Männern, die im Gesundheitswesen Wandel gestalten sollen, mit auf den Weg? Was sagen Sie ihnen? 

Erstens: Respekt vor sich selbst

Zunächst einmal muss ich selbst davon überzeugt sein, dass ich hier richtig bin und auf Augenhöhe mit anderen arbeite, unabhängig davon, ob ich eine Frau oder ein Mann bin, unabhängig davon, aus welchem Land und welchem kulturellen Hintergrund ich komme und welcher Berufsgruppe ich angehöre. 

 

Aus diesem Respekt vor sich selbst entwickeln sich Selbstbewusstsein und Respekt vor anderen.

 

Zweitens: Zeit

Veränderung braucht Zeit, denn Veränderung macht auch Angst. Ich muss die anderen daran gewöhnen. Ein Zugang ist die doppelte Lernschleife von Schön und Argyris. In der ersten Schleife ändere ich einfach mein Verhalten, bspw. um einer Anordnung zu folgen oder einer Sanktion zu entgehen.

 

In der zweiten Schleife verstehe ich und mache es mir zu eigen.

 

Beispiel Decubitus ("wund liegen"): erste Schleife "Du musst Frau X regelmäßig im Bett anderes hinlegen." Punkt. Zweite Schleife: " ..., weil sie sonst einen Decubitus bekommen könnte. Dies würde ihre Lebensqualität einschränken, für uns zu einem höheren Aufwand führen, also höheren Kosten, und es könnte sogar rechtliche Konsequenzen haben, Stichworte Qualitätsmanagement und Risikomanagement."

 

Drittens: nichts persönlich nehmen

Schuldzuweisungen in der Zusammenarbeit sollten Tabu sein. Es geht um Verantwortung, und es geht darum, gemeinsam aus Fehlern zu lernen.

 

Die Kommunikation muss vom "Was du falsch gemacht hast ..." hin zum "Was war der Fehler? Warum und wie ist er entstanden? Und wie müssen wir, jeder von uns, uns in Zukunft verhalten, damit er nicht wieder auftritt?"

Friedemann Schulz von Thun und viele andere Autoren geben in ihren Büchern zur Gesprächskultur viele nützliche Hinweise.

 

Viertens: Fordern

Wenn etwas meine Arbeit oder das Haus insgesamt berührt, bspw. die Einführung neuer Abläufe: Fragen stellen, dafür sorgen, dass ich zu Arbeitssitzungen zum Thema eingeladen werde, daran aktiv teilnehmen.

 

Fünftens: Fördern

Der Eintritt einer neuen Person in eine Gruppe, ein Team, eine Station, einen Bereich löst eine Neuorganisation der Gruppe aus. Dieses Prinzip aus der Gruppendynamik ist eine große Chance: Rollen, Aufgaben und auch Werte, Normen und Regeln verhandelt die Gruppe neu. Also kann ich Ziele und Werte, bspw. zum Umgang miteinander, hier einbringen. Dies funktioniert sowohl als neues als auch als altes Gruppenmitglied.

 

Sechstens: Botschafterin und Botschafter sein

Das Thema Veränderung ist immer aktuell. Wir und die Systeme, in denen wir leben, ändern sich kontinuierlich. Wenn ich also Wandel bewusst, gezielt, strukturiert, geplant und flexibel gestalten will und andere dazu ermutigen möchte, sollte ich dies als "Dauerbotschaft" immer wieder kommunizieren.

 

Einstiege zum Wandel können Themen wie Restrukturierungen, Einführung neuer Abläufe, Anpassungen im Qualitätsmanagement und vieles mehr sein.

 

Siebtens: Ausdauer

Veränderung ist immer und braucht Zeit. Wir brauchen dafür Wachheit, Willen, Empathie, Wissen, Können und das gemeinsame Arbeiten.

 

Thema 2: Wandel im Gesundheitswesen

Organisationsentwicklung und Change Management wurden von Wissenschaftlern und Praktikern in Produktionsbetrieben, wie bspw. der Herstellung von Schuhen, und Dienstleistungsbetrieben, bspw. Banken, entwickelt.

 

Warum und wie können wir OE und CM auf das Gesundheitswesen zuschneiden?

 

Nehmen wir als Beispiel die Balanced Scorecard. Dort gibt es den Begriff "Kunde und Markt". 

Patienten sind _keine_ Kunden. Sie kommen nicht freiwillig. Sie kommen zu uns, weil sie ein Leid haben. Also müssen wir als Pflegende, Ärzte und Therapeuten sie in ihrer Genesung unterstützen und ihnen in ihrer Entscheidungsfindung (englisch: informed consent) zur Seite stehen, bspw. wenn es um das Für und Wieder einer Chemotherapie geht.

Trotzdem haben Einrichtungen im Gesundheitswesen sehr wohl Kunden. Dazu zählen zum Beispiel Ärzte, die Patienten zuweisen und weiterbehandeln, und Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen. Außerdem arbeiten wir mit Lieferanten, Forschungseinrichtungen, Lehre, Behörden, Kostenträgern und vielen anderen zusammen.

Es gibt auch den Begriff der internen Kunden, wenn Sie Dienstleistung als einen Ansatz begreifen, in dem wir beispielsweise sagen: ich mache Diagnostik für den Patientenpfad X und damit für die Patienten und die Pfadverantwortlichen. Also sind die Pfadverantwortlichen meine Kunden.

 

Thema 3: Prozess-orientierte Unternehmenssteuerung

Ursprünglich wiederum außerhalb des Gesundheitswesens entwickelt machen sich zunehmend auch Krankenhäuser und andere Institutionen die Prozess-orientierte Unternehmenssteuerung zu eigen.

 

Was steckt dahinter? Was ist der Nutzen?

 

In der Struktur-orientierten Unternehmenssteuerung sind Schnittstellen, also Übergänge in Abläufen, an Grenzen von Bereichen und Hierarchien angesiedelt.

Dieses Denken in Hierarchien und Bereichen kann diese Übergänge verschärfen und unter anderem zu Problemen in der Kommunikation und somit in der Qualität der Abläufe führen.

 

Zu den Zielen und zum Nutzen Prozess-orientierter Unternehmenssteuerung zählen

  • Patienten-, Mitarbeiter- und Kundenorientierung
  • Transparenz in Kern-, Unterstützungs- und Managementprozessen
  • Verbesserungspotentiale bspw. Ressourcenschonung durch Standardisierung
  • Fokussierung in Qualitäts- und Risikomanagement

und vieles mehr.

 

Thema 4: Wandel im Gesundheitswesen voran bringen

Einrichtungen des Gesundheitswesens sind komplexe soziotechnische Systeme. Zahlreiche Berufsgruppen und Institutionen sind an der Versorgung von Patienten beteiligt. Integrierte Versorgung über Krankenhaus-, Praxis- und Pflegegrenzen hinweg gewinnt an Bedeutung. Der Leistungsanspruch ist hoch: es geht um Gesundheit und Lebensqualität der Patienten. Hinzu kommt die Orientierung nicht nur auf die Dienstleistung, bzw. das Produkt, sondern auch auf die Gesellschaft und die Umwelt (siehe auch PPP).

 

Wie können wir Wandel im Gesundheitswesen voran bringen?

 

Erstens: Tun

Es gibt den Satz: think globally, act locally. Oder als chinesisches Sprichwort: Wenn du denkst, es ist dunkel, zünde eine Kerze an. Es geht also darum, in der eigenen Umgebung Wandel zu gestalten. Bewusst, gezielt, strukturiert, geplant und flexibel und gemeinsam mit anderen.

 

Zweitens: Lehren

Wir können Studierenden und Menschen im Lebenslangen Lernen Ziele, Werte, Theorien, Konzepte und die praktische Umsetzung nahe bringen.

 

Drittens: Publizieren und über Wandel sprechen

Zum einen müssen wir Wissenschaftler dies in entsprechenden Zeitschriften und auf Konferenzen machen. Außerdem sollten wir alle  einer breiten Öffentlichkeit das Thema Wandel im Gesundheitswesen zugänglich machen, und mit ihr in den Dialog treten. Neben klassischen Medien wie Zeitungen, Radio, TV bietet das Web 2.0 mit seinen Social Media, wie Blogs und Foren dazu eine hervorragende Plattform.

 

Viertens: Forschen und Entwickeln

Dies müssen wir in enger Zusammenarbeit aus Wissenschaft und Praxis durchführen. Wir sollten auch die Lernenden darin integrieren, bspw. mittels der Durchführung von Studienprojekten und Abschluss- und Doktorarbeiten im Rahmen von größeren Forschungs- und Entwicklungsprojekten (Weßel/Spreckelsen 2009)

 

Im Gesundheitswesen geht es unter anderem auch um die Entwicklung von Informations- und Medizintechnik, die die Versorgung der Patienten unterstützen, bspw. in der Visualisierung und Nutzung von Patientenpfaden. Dies ist ein Beispiel für die Bedeutung multidisziplinärer Zusammenarbeit im Gesundheitswesen: "Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte"

 

Fünftens: Gesellschaftlich und politisch aktiv sein

Das Thema Wandel können wir durch unser Engagement in Fach- und Berufsverbänden und auch in der Politik zu einem öffentlichen Thema machen und Wandel damit unterstützen.

 

Sechstens: Eine jede, ein jeder nach ihren Neigungen und Fähigkeiten

Wir sollten das tun, was am besten zu uns passt. Die einen setzen auf die "Kerze", die anderen lehren vor allem, einige kombinieren mehrere Aktivitäten. Schließlich können sich Schwerpunkte auch im Verlauf unseres Lebens ändern.

 

Fazit

Der Dialog heute in Fulda war wieder interessant und anregend. Es ist eine Freude zu sehen, wie sehr „das Ganze größer ist als die Summe seiner Teile“ [Aristoteles]. 

 

Christa Weßel - Mi, 16. Mai 2012

 

Quellen [am 01.01.2018 hinzugefügt]

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