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The Doctor-Nurse-Game

... in Geschäftsprozessen und Organisationalem Lernen

Wie steht um das Verhältnis der Berufsgruppen im Gesundheitswesen zueinander? Ist es geprägt von Wertschätzung, Respekt, Offenheit und dem Ziel, zum Wohl des Patienten zusammen zu arbeiten?

 

Ja, es gibt solche Einrichtungen im Gesundheitswesen, aber es gibt gerade in Deutschland auch noch viel zu tun (siehe auch die Blogs vom 26.01.2012 und vom 04.02.2012).

 

Worum geht es im Doctor-Nurse-Game?

Es besteht seit Jahrtausenden ein Rollenverständnis, das auf der Rolle des "Entscheiders", "Mannes",  "Arztes" und der "Dienerin", "Frau", "Pflegende" beruht. Leonard Stein stellte es 1967 in seinem Artikel wunderbar dar.

 

Ihr Selbstbild - so Stein -  hindert Ärzte oftmals daran, von pflegerischem und anderen medizinischen und nicht-medizinischen Experten offen Unterstützung und Rat einzuholen: sie, die Ärzte, müssen souverän und wissend auftreten. Pflegende lernen bereits in der Ausbildung, wie sie Ärzten ohne Gesichtsverlust aller Beteiligten diese Unterstützung dennoch – zum Wohl des Patienten – zukommen lassen können. Diese neurotische Kommunikation verhindert den offenen, voneinander lernenden Dialog.

 

Der Roman "House of God” von Samuel Shem hat Ende der 1970er Jahre zu diesem Thema weite Berühmtheit erlangt. Im angloamerikanischen Raum, in Skandinavien, der Schweiz, den Niederlanden ist den Professionen Ärzte und Pflegende die Entwicklung hin zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe seit den 1960er Jahren weitestgehend gelungen. In Deutschland haben sich die Berufsgruppen seit einigen Jahren auf den Weg gemacht.

 

Was löst das Doctor-Nurse-Game aus?

Einige Menschen aus Pflege, Medizin und Management in Deutschland und der Schweiz haben mir Rückmeldungen zu diesem Thema im Gespräch, am Telefon oder per Email gegeben. Sie wollten jedoch nicht gerne im Blog kommentieren und somit in die Öffentlichkeit treten. Daran zeigt sich in meinen Augen, wie sehr die wertschätzende Zusammenarbeit von Medizin und Pflege und ihr Mangel immer noch ein Tabuthema ist.

 

Der Tenor lautete: An der Oberfläche, ja, da gibt es diese Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Da wird Wertschätzung gerne angeführt als Kennzeichen eines Krankenhauses oder von Pflegeeinrichtungen, sich in die Zukunft zu entwickeln und eine Lernende Organisation zu sein. Im Alltag sieht das etwas anders aus.

 

Warum mag sich niemand wirklich mit diesem Thema auseinander setzen? Diejenigen, die es tun, ernten ironisch hochgezogene Augenbrauen und fragende Blicke. Aber Herr Kollege, es ist doch alles in Ordnung bei uns. Es geht hier um Besitzstandwahrung - "Turf abstecken". 

 

Eine von Respekt, Toleranz, Anerkennung geprägte Zusammenarbeit ist effizienter und effektiver als autoritär geprägtes Klassendenken. Dieses gilt es allerdings auch durch Messungen nachzuweisen. 

 

Kommt das Ansinnen aus dem Pflegedienst, und hierzu zähle ich auch Hebammen und Altenpflegerinnen und -Pfleger, so kann sich Folgendes ereignen. Wenn eine Einrichtung in einer Region eine Monopolstellung hat, beispielsweise  ein Verbund aus ambulanten und stationären Altenpflegeeinrichtungen, dann ist es mit der Zusammenarbeit auf Augenhöhe, beispielsweise zwischen Verwaltung und Pflegenden nicht unbedingt besonders gut gestellt. Die Pflegenden können sich keinen anderen Arbeitgeber suchen, also auch nicht eine bessere Kultur des Miteinanders einfordern.

 

Was lässt sich aus diesen Reflexionen ableiten?

Es besteht in allen Berufsgruppen aus Medizin, Pflege und Administration der Wunsch, das Doctor-Nurse-Game zu beenden und zum Wohl des Patienten zusammen zu arbeiten: wertschätzend und auf Augenhöhe.

Dazu braucht es

  • Menschen, die sich der Bedeutung von Wertschätzung und Zusammenarbeit bewusst sind.
  • Menschen, die begriffen haben, wie wichtig es ist, Wissen zu teilen und sich gemeinsam weiter zu entwickeln; die verstanden haben, dass dieses sowohl der Organisation als auch dem Einzelnen nutzt.
  • einen konkreten Anlass und Nutzen, der sich aus der Arbeit daran für die Organisation und die Menschen entwickelt. Dieser Nutzen kann finanziell, sozial oder ökologisch sein (vgl. den Blog vom 19.11.2011 Product, People, Planet - Organisationen, Profit und Lernen).
  • Menschen, die sagen: Wir fangen einfach mal an und gucken, wie weit wir kommen.
  • genügend Menschen: die "kritische Masse" (nach dem Fence Sitter Modell sind es ungefähr 5 Prozent, die voll hinter einer Änderung stehen, und 80 Prozent, die zwar skeptisch sind oder bremsen, und 15 Prozent, die Widerstand leisten).
  • und Zeit: Lernen und nachhaltige Veränderung sind Prozesse, die die Werte, Muster und Verhaltensweisen von Menschen betreffen, und somit sich nicht von einem Tag, Monat oder manchmal auch Jahr ändern.

 

Welche Beispiele gibt es?

Das Bewusstsein für die Bedeutung von Wertschätzung und Professionalität kann und muss schon in den Ausbildungen geschärft werden und auf einer wissenschaftlich soliden Basis stehen. Die Hochschule Fulda, das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), die Charité -  Universitätsmedizin Berlin und mit ihr die Berlin School of Public Health sind einige Beispiele dafür. 


"Geschäftsprozesse und organisationales Lernen" (Weßel 2014) berichtet von einem Krankenhaus, in dem ein Mensch die Idee hatte, mit anderen an einem vitalen Interesse der gesamten Organisation zu arbeiten: die Beschreibung und Kalkulation ihrer Geschäftsprozesse, den Behandlungspfaden. Er holte zwei weitere Menschen ins Boot. Dann verbreiteten sie diese Idee. Die Umsetzung erstreckte sich über mehrere Jahre. Berater, Consultants, die auch auf diese Art denken, fühlen und arbeiten, haben diesen Weg einer Lernenden Organisation unterstützt. Dazu ein Zitat aus den Rückmeldungen zum Buch und zum Thema Doctor-Nurse-Game:


Das größte Verdienst an der positiven Entwicklung von [Behandlungspfaden] und damit dem [Krankenhaus] zur "lernenden" Organisation schreibe ich den Personen an den "Schlüsselstellen" des Projektes zu. Diese (Herr ... [der Initiator im Haus] / Leute von der ... [Beratungsfirma]) hatten einerseits ein sehr hohes Fachwissen, so, dass  die Ärzteschaft sie "problemlos" als Wegführer akzeptieren konnte, und sie hatten eine sehr hohe soziale Kompetenz, um Pflege und Ärzteleistungen absolut "gleichwertig" zu behandeln. 

 

Christa Weßel - So, 19. Februar 2012

 

Quellen [am 01.01.2018 hinzugefügt]

Blogrubrik Wandel im Gesundheitswesen 

 

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